Gastbeitrag: „Das Erbe der 500 Bücher“

Gastbeitrag: „Das Erbe der 500 Bücher“

…von Irene Kasapis

Haaaach, hier entsteht etwas Neues: Mein Blog öffnet die virtuellen Türen für einen Gastbeitrag und ich freue mich wie Bolle, dass Irene einen weiteren Schritt in die Öffentlichkeit wagt.

Irene durfte ich vor einiger Zeit kennenlernen – 2018 war es bereits, habe ich gerade nachgeschaut. Da war ich zu Gast in ihrem Podcast „Was bleibt, ist deine Liebe“, der leider nicht mehr online ist. Ich habe aber tatsächlich noch die Aufnahme davon – das muss ich mir unbedingt noch einmal in Ruhe anhören ♥

Kürzlich bin ich Irene auf Instagram erneut begegnet, sie veröffentlicht dort nämlich jeden Sonntag Gespräche mit ihrer Trauer – ich lese das supergerne, ihr vielleicht auch?

Irene auf Insta

Über die Autorin: 

Irene Kasapis ist geborene Münchnerin. Nach ganz viel Spiritualität kam die Kreativität in Form von Schreiben in ihr Leben.  

Auf Instagram veröffentlicht sie ihre Gespräche mit ihrer Trauer und Geschichten über (innere) Reisen und natürlich: über Bücher und was diese in ihr bewegen. Im Moment schreibt die Autorin ein Buch über ihre Reise(n) mit der Trauer und wie sie es geschafft hat, in einer gesunden Beziehung mit ihrer Trauer zu leben. 

Hier nun Bühne frei für Irene:


Nachdem meine Mutter starb, hinterließ sie ca. 500 Bücher. Ich kaufte mir den 16-teiligen Expedit Schrank, um diesen Berg von Büchern in meiner Wohnung überhaupt lagern zu können. Ihre Bücher waren größtenteils in den 50er und 60er Jahren gedruckt und haben meine Mutter durch bewegte Zeiten begleitet; eine Flucht aus der bis dato bekannten Heimat zum Ende des zweiten Weltkrieg, die Nachkriegsjahre und immer und immer wieder neu anfangen in wechselnden Städten. 

Ich stelle mir vor, dass meine Mutter in den Jahren, die auf die Flucht gefolgt sind, die Bücher gebraucht hat, um sich an etwas Beständigem festzuhalten. Sie war auf jedes einzelne Buch stolz und konnte mir bei fast allen Büchern erzählen, wo sie dieses gekauft hat. 

Über die zwanzig Jahre, die nach dem Tod meiner Mutter folgten, haben die Bücher auch mir Sicherheit gegeben. Der IKEA-Schrank war wie ein riesiger Altar zum Andenken an meine Mutter. In meiner unverarbeiteten Trauer, redete ich mir ein, dass solange die Bücher da standen und ich sie anfassen konnte, immer noch die irrationale Hoffnung bestand, dass meine Mutter zurückkommen würde. Nachdem das natürlich nicht geschah und mich die ungelebte Trauer zu ersticken drohte, begab ich mich auf die Suche nach Antworten. Ich begab mich auf meine ganz eigene Trauerreise und begann meine Trauer in mein Leben zu integrieren. 

Und dann wurde mir der selbstgebaute Altar zu einem Sinnbild des riesigen Trauerberges, den ich mit mir rumschleppte. Jedes Mal, wenn ich wieder vor dem riesigen Ikea Schrank stand, wurde mein Herz ganz schwer und das Wissen darüber, dass meine Mutter nie wieder kommen würde, um sich eins ihrer Bücher zu holen, sank immer tiefer in mich rein. Eines Tages machte es dann „klick“ in mir und ich wollte anfangen MEIN Leben zu leben MIT der Trauer und nicht wie bisher bestimmt durch die Trauer. Und so begann ich mich, Schritt für Schritt, von den geliebten 500 Büchern zu trennen. Möglichkeiten wie Momox und Flohmärkte, alles war mir recht, mich von den Büchern zu trennen. 

Ich habe wirklich nur noch drei Bücher aus der Sammlung meiner Mutter behalten. Diese hüte ich, wie einen Schatz, denn ich weiß, wenn mich die Trauer und Sehnsucht nach meiner Mutter überkommt, denn das tut sie und wird sie mein Leben lang tun, dann geben mir diese drei letzten Bücher Trost und Halt und ich fühle mich mit meiner Mutter verbunden. 

Gastbeitrag zum Thema Trauer von Irene Kasapis
Das Erbe der 500 Bücher

Dieses Bild ist von Irene selbst gemalt und findet daher auch einen Ehrenplatz ♥

Danke für dein Vertrauen, liebe Irene: Ich wünsche dir inspirierende Rückmeldungen zu deinem Schreiben und freue mich, wenn du mit Selbstsicherheit dein Herzensthema in die Welt trägst – wichtig und wertvoll!

DANKE!

Totenhemd – ist das Prosa oder kann das weg?!

Totenhemd – ist das Prosa oder kann das weg?!

Tataaa, es ist wieder so weit: ein Jahr ist rum, die alljährliche November-Blog-Aktion vom Totenhemd-Blog ruft – und ich bekam eine „Sondereinladung“ zur Teilnahme!!! Ich fühle mich zutiefst geehrt und möchte es nicht versäumen, an dieser Stelle die allerherzlichsten Geburtstagsglückwünsche an Sarah zu verschicken – hat sie doch extra diesen Tag für mich frei gegeben und dafür am 15.11.2022 mitgemacht:

Alles, alles Liebe zum Geburtstag, liebe Sarah!!!

Also, worum geht es in der diesjährigen Blog-Aktion? Wie folgt lautete die Ansage:

„Schreibe eine Kurzgeschichte egal welches Genre, ein Slam Poetry oder ein Lied. Die einzige Voraussetzung, das Wort „Totenhemd“ soll in deinem Text drin sein.“

Uff… Geschafft! Das Wort steht ja schon im Titel, dann bin ich fein raus ;0)
Prosa??? Kannichnicht. Egal, ich mache trotzdem mit!

Nun zur eigentlichen Text-Aufgabe:


„Das macht sie nicht… Oder?!?“ etwas nervös hört man die Stimme…

„Neeein, das macht sie nicht.“ tönt es beruhigend zurück.

„Das macht sie NICHT!!!“ etwas lauter.

„Nein, nein, natürlich nicht, das würde sie nie tun…“ wieder beruhigend…

„Lasst mich mal durch, ich kann gar nichts sehen… Ach, schau, die Anja habe ich ja lange nicht gesehen. Gut sieht sie aus, so fröhlich.“

„Aber, aber, aber….. Guck doch!“ schrillt es alarmiert.

„Hör mal, sie weiß doch, wie wichtig… Aaaaaaaah!!!“

RATSCH!!!

„Um Himmels Willen, schau dir das an!“

„Es ist zum Heulen!“

„Das darf doch nicht wahr sein.“

„Ich fasse es nicht!“

Mit Tränen in der Stimme stammelt jemand: „Sie hat es einfach so… Zerrissen?!?“

Die Stimmen überschlagen sich beinahe vor Entsetzen und es herrscht große Unruhe und Geraschel.
Wo? Na, im Kleiderschrank!
Oh, das schöne blaue Dreieckstuch hatte ich ganz vergessen?! Muss ich unbedingt mal wieder tragen.

„Ja. Hat sie.“

Pullover, Blusen, Hosen, Kleider, Blazer, und was sich da sonst noch so tummelt, quatscht wild durcheinander… Falls jemand überlegt: Schlüpper und Socken können nichts sehen, die sind in der Kommodenschublade.

Der dunkelblaue Blazer rümpft empört die Nase: „Also, das hätte ich nicht von ihr gedacht!“

„Oh mann, was hat denn das arme Hemd getan, dass sie es so malträtiert?!“

„Schaut mal, jetzt nimmt sie das Teil und wickelt es um ein hellblaues Buch. Was soll das denn?“

„Ui, jetzt kommt noch ein Band drumherum – und oooh, eine Schleife. Das gefällt mir aber gut.“

„Spinnst du?! Wie kann dir sowas gefallen?! Sie hat das Hemd zerrissen! Zer-ris-sen!!!“

„Also ich möchte auch so eine schöne Schleife…“

„Ich glaube, es hackt.“

„Nein, guck doch mal, wie liebevoll sie das macht. Mit mir schimpft sie immer, wenn der Knopf nicht zu geht.“

„Ich finde das auch hübsch, was sie da gemacht hat. Das olle Hemd hatte doch wirklich keinen Pfiff, hing total langweilig herum. Nun ist es echt aufgewertet. Ich weiß allerdings nicht, womit es das verdient hat. Ts…“

„Pssst, es kann dich doch hören.“

„Na und?!“

…und wie es das hören kann: Das Stück Totenhemd strahlt und lacht unter seiner Schleife und zwinkert den übrig gebliebenen Kleiderstücken zu:
„Tschüss, ich gehe jetzt auf Reisen. Ich fühle mich großartig, ist das aufregend!!!“

Mögliche Totenhemden im Kleiderschrank, Trauer in unterschiedlichsten Facetten

Und ich so?

Ach, das war eine gute Idee! Die Bücher sind nun gut geschützt und hübsch sieht es auch noch aus. So können sie sicher verschickt werden, da freue ich mich.
Es ist doch aufwändiger als ich dachte, immer passendes Verpackungsmaterial parat zu haben, um Buchbestellungen zu bearbeiten – aber so ist es doch eine tolle Lösung.

Dieses Schlabberhemd ziehe ich ja doch nicht an, wenn es soweit ist. Das passt gar nicht mehr zu mir – und mal ehrlich: im Fall der Fälle, dass man doch „danach“ noch was spüren sollte, friere ich mir ja den Hintern ab. Nein. Ich halte fest, dass man mir anzieht, was ich zu der Zeit meines Todes am liebsten getragen habe – dazu muss ich meine Abschiedsverfügung natürlich regelmäßig anpassen… Und falls mich dann doch jemand in ein unbequemes Dingsbumms zwängt, erscheine ich als Geist und räche mich!


HEUTE ist erneut ein ganz besonderer Tag:
Andreas starb vor nun 8 Jahren (whaaat?!) und ich feiere ihn hier und heute mit diesem Beitrag, den ich ihm zu Ehren schreibe.
Auf DICH! Da oben oder wo auch immer du gerade bist:


Es ist so schön, dich in meinem Leben gehabt zu haben – und irgendwie weiterhin zu haben… PROST!


Fußnote: Ja, ich verschicke meine Bücherbestellungen eigenhändig mit viel Liebe und schaue auch, dass ich sie gut verpacke – sie werden jedoch nicht in Totenhemdfetzen gewickelt – das entsprang hier meiner Phantasie ;0)
Wenn du noch kein Buch von mir hast und gerne eines hättest, melde dich gerne direkt bei mir – die Zusammenarbeit mit dem Verlag endet in Kürze, daher bearbeite ich Bestellungen höchstpersönlich, jawohl! Kurze Mail an untroestlich.blog(at)gmx.de

Länger als…

Länger als…

Wann ist denn das passiert?! Fragend schaue ich mich um.
Nunja, ganz so überraschend war das ja nicht – aber nun überrollen mich doch Gefühle und Gedanken.

Du bist nun länger fort als wir gemeinsame Zeit hatten.

Zack. Das muss man erstmal sacken lassen, oder? Mich hat der Gedanke daran immer beschäftigt und irgendwie war es dennoch nie wirklich greifbar.
Ist es das denn jetzt?
Hm… Nein.
Seltsam abstrakt umwabert mich dieses Gefühl des Vermissens…

Ich vermisse dein „huhu“ beim Heimkommen.
Ich vermisse deinen Geruch – und manchmal weht mir dein Parfum auf der Straße in die Nase uns lässt mich lächeln…
Ich vermisse deine Umarmungen – niemand kann so umarmen, wie du es tatest.
Ich vermisse die Frau, die ich hätte sein können – mit dir an meiner Seite.
Ich vermisse ein gemeinsames Leben, das sich so scheinbar unendlich vor uns ausbreitete.

Und doch: ich habe so viel… Und es ist auch schön, dieses Vermissen.
Klingt seltsam? Vielleicht… Mir zeigt es aber sehr deutlich, was ich schon in meinem Leben an Schätzen gesammelt habe – die mir niemand niemals nehmen kann.

Ja, es tut tatsächlich gut, sich diesem Gefühl des Vermissens hinzugeben, einzutauchen…
Es ist anstrengend und traurig und gleichzeitig unfassbar wertvoll.

Herz auf dem Findling am Grab im Ruheforst…

Dieses Herz, das eine Laune der Natur auf den Findling im Ruheforst bei Andreas‘ Grab hinterlassen hat – wie oft habe ich alleine oder gemeinsam mit dem Sohnemann hier gestanden und die Konturen nachgemalt.
Anfangs konnte man auch noch unsere Initialen erahnen. 2 mal ein „A“ und ein Buchstabe für den Sohn… Wir gehörten ja zusammen, das war unverkennbar. Die Buchstaben verschwanden recht schnell unter Moosfasern und Gestrüpp – das Herz blieb erkennbar.
Mittlerweile ist es verschwunden, die Oberfläche des Steins hat sich verändert, hat sich gewandelt. Stück für Stück…
Wie so vieles in meinem Leben.

Dankbar

Dafür bin ich dankbar. Für die gemeinsame Zeit und auch umso mehr für die Zeit, die ich ohne Andreas weitergegangen bin.
In diesen Tagen kommen erinnerungstagbedingt viele Erinnerungen an die gemeinsame Zeit hoch – und ich schaue sie mir mal mehr mal weniger aufmerksam an.

Überraschungen gehören auch in diese Zeit: ein Schreiben vom Erzbistum Hamburg, das jahreszeitlich angemessen auf Allerseelen Bezug nahm, wehte auf meinen Schreibtisch mit einem „mich haben die Worte bewegt, auch für Dich…“.
Humpf, Kirche, na toll. Pff… Na gut, ich lese es…
Ah…
Oh…
Na, das hat er aber wirklich einfühlsam formuliert.
Schön…
Huch? Ich finde das gut, was „einer aus der Kirche“ schreibt? Ja, denn er hat sehr schöne Worte gefunden, bodenständig, unaufgeregt… Ein Satz trifft mich dabei besonders ins Herz:

Es tut gut, der Erinnerung Raum zu geben.

(aus einem Brief des Erzbischofs Dr. Stefan Heße)

Beim Durchtauchen dieser Erinnerungen sammle ich Gefühle wie Blumen und Gräser… Hier ein Lächeln, da ein schmerzerfülltes Weinen, dort ein wohliger Schauer, ein Seufzer, wieder Tränen,…
Also, wenn ich hier fertig bin, habe ich einen riesigen Strauß beisammen. Den werde ich in eine Vase stellen – ans Fenster ins Licht, damit er leuchten kann. Siehst du ihn?

Smile, though your heart is aching…

Was bleibt?

…ich kann es noch immer nicht aushalten, wenn eine ungerade Anzahl Kerzen brennt ;0)

Was wäre, wenn ich zuerst sterbe…?

Was wäre, wenn ich zuerst sterbe…?

Piiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeep………

Ja, so macht es vielleicht, wenn ich sterbe… Vorausgesetzt, ich liege dabei in einem Krankenhaus und bin an eine Maschine angeschlossen… Na, vielleicht (hoffentlich!) macht es nicht so, wenn ich sterbe – denn eigentlich möchte ich das irgendwann irgendwo in Frieden tun.
Nundenn, aber irgendeinen Einstieg brauchte es ja für diesen Beitrag – denn ich schreibe erneut für eine November-Blog-Aktion des Totenhemd-Blogs und Petra rief auf zu Beiträgen zum Thema „Was wäre, wenn ich zuerst sterbe“ und dabei – ich zitiere: „Mit Humor und dem Schalk im Nacken“.

Alles, was mir zuerst in den Kopf kam, waren recht trübselige Gedanken… Gibt es doch Menschen in meinem Leben, von denen ich mich bald verabschieden muss – ob ich denn will oder nicht – und egal wie lustig ich es mir vorstelle, mich beim Sterben vorzudrängeln (haaalt!!! Ich zuerst!!! Schubs…), es kam doch immer wieder eine groooße Portion Traurigkeit hinzu…

So habe ich mir bei einem Spaziergang durch den Ruheforst Inspiration von meinen Lieblings-Aliens geholt. Menschen, von denen ich weiß, dass sie angesichts des Todes immer noch etwas zu Lachen finden können, wenn man sie lässt. Tausend Dank an Christine, Petra und Stefan!!! Ihr habt es geschafft, dass ich mich sehr beherrschen musste, im Ruheforst Ruhe zu bewahren und nicht lauthals zu lachen – ist ja schließlich kein Lachforst.
Hätte ich das mal früher getan, dann wäre ich sicher auf die großartige Idee gekommen, Interviews zu führen… In solchen Gesprächen kommen nämlich unfassbar bunte Antworten, die es sich lohnen würde, zu sammeln…
Schade, das Zeitfenster war nun etwas zu klein geraten, um das umzusetzen.

Tja, wie mag es denn nun sein, wenn ich zuerst sterbe?!? Hm, was bedeutet eigentlich dieses „zuerst“? Das bedeutet ja, dass irgendwer später stirbt als ich. Auf jeden Fall muss jemand übrig bleiben, der hier sicherstellt, dass ich mit Bömmeln im Sarg liege und sie mir nicht irgendwer mit einem „das macht man doch nicht!“ vom Kopf zupft, bevor der Sargdeckel geschlossen wird.


Wenn das nun tatsächlich frühestens in 50 Jahren geschieht – so ist es ausgemacht – gibt es so einiges einzupacken, fürchte ich. Vermutlich werde ich es nicht schaffen, so minimalistisch zu leben, wie ich es eigentlich tun könnte… Ich habe also sehr wahrscheinlich ganz schön viel Zeugs angesammelt, von dem ich mich nicht trennen mag. Und damit sich nach meinem Ableben niemand damit herumschlagen muss, könnte man das doch einfach mit in den Sarg packen, oder?!?

Heute habe ich gelernt, dass es XXL-Särge gibt. Es wird also zumindest ausreichend Platz für meine Teelicht-Sammlung geben. Die kann dann mit.
Ich habe nämlich – oh Schreck! – beim Umzug feststellen müssen, dass ich teelichtkaufsüchtig bin. In unterschiedlichsten Schubladen habe ich wie ein Teelicht-Eichhörnchen (ist das dann ein Tee-Hörnchen?!?) solche Lichter gehortet. Auf einen Stapel geworfen sieht es so aus, als könnte ich damit bis mindestens in 50 Jahre auskommen. Wenn dann noch welche übrig sind (bestimmt!), kommen die mit in den Sarg. DAS wird ein Fest im Krematorium!!! Vielleicht nehme ich noch ein paar Wunderkerzen mit, die brennen immer so schwer an – mit dem Feuer und dem Kerzenlicht sollte das aber kein Problem mehr sein…

Ich liege also mit Bömmeln auf dem Kopf bei Kerzenschein und Wunderkerzenbritzelfeuerwerk und harre der Dinge, die da kommen mögen…

Und dann?!?

Ich stelle es mir schön vor „da drüben“, ruhig und lustig… Jede und jeder darf sein, wie er sein mag und niemand stört sich am jeweils anderen. So konfliktfrei könnte es langweilig werden, meinst du? Nein, nein…

Ich kann da ja auf einer Wolke mit der „Bömmel-Inspiratorin“ sitzen und Kirschen essen – vielleicht fällt dir die ein oder andere Kirsche vom Weitwurf auf den Kopf, dann weißt du, wer das war.
Solange der Liegestuhl noch frei ist, würde ich mich zu ihr setzen und plaudern. Wie war es, wie ist es und wie wird es dort sein?!?
Das stelle ich mir sehr wiedersehensfreudig und unterhaltsam vor.

Ach, guck… Wer kommt denn da? Oma! Ganz entspannt und jung wirkend… Sie setzt sich dazu und erzählt endlich einmal die Geschichten aus ihrem Leben, auf die ich so neugierig war, nach denen ich mich aber nie getraut habe zu fragen… Mein Opa schaut auch vorbei und erzählt diese Geschichten aus seiner Sicht. Er ist ja schon eine ganze Weile länger hier, da dürfen die Geschichten auch voneinander abweichen – das erinnert schließlich niemand mehr so ganz genau.

Ui, da ist ja auch… Und du… Und……. Wow, so viele schöne Begegnungen, Umarmungen, Geschichten – wenn ich mir das so vorstelle, werde ich direkt ganz sehnsüchtig.

Ich nehme mir eine kurze Auszeit und blicke mal zurück: was passiert denn „da, wo ich herkomme“? Ich wische ein paar Tränen fort, werfe Federn und Blätter in Herzform und male mit den Wolken, um zu zeigen, wie gut es mir geht…

Aber da… In Frankreich am Meer… Was ist da denn los? Dort sitzen drei ulkige Gestalten. Die haben tatsächlich Bömmel auf dem Kopf, die lustig wackeln. Nein, halt, einer davon hat sie um die Hüfte – na, das sieht ja witzig aus. Zehn Gläser Wein sind schon geleert, das erklärt so einiges… Vor ihnen im Sand steht etwas geschrieben… Ich muss einmal näher ran, um das zu lesen… Ach… Das ist ja ein Ding. Aus Kieseln haben sie eine Botschaft gelegt. Dort lese ich

MOIN

Ich bin ganz gerührt… Was passiert denn nun? Die eine holt ein großes Gefäß heraus. Ist das eine Tupperdose? Einmal geöffnet, kommt eine große Staubwolke aus ihr und entschwindet mit dem Wind aufs Meer… Die drei greifen noch hinein, holen das restliche Pulver heraus und werfen es mit einem „Tschüss“ in die Luft. (*)
Ich kann nicht anders und puste aus der Gegenrichtung den Dreien ins Gesicht. Nun lache ich mich scheckig über die drei grauen Gesichter, in denen ich nur noch die Augen erkennen kann.
Danke, ihr Lieben! Bis ganz bald!

Lachend kehre ich zurück auf meine Wolke, setze mich und baumle mit den Beinen. Da fällt mir ein: HEUTE ist doch ein ganz besonderer Tag! Der 17.11. war und ist ja nicht nur der Sterbetag von Andreas – nein, an dem Datum hat auch jemand Geburtstag!

Ich flitze also noch einmal los, schiebe und drücke Wolken in Position, hauche hier einen Schatten hin und puste dort eine Lücke frei… Dann ist es vollbracht. Am blauen Himmel steht nun:

Herzlichen Glückwünsch, liebe Sarah!!!

Jaja, ich weiß, da habe ich ü-Tüdelchen zu viel, die habe ich vergessen, wegzupusten. Macht nix. Ich hoffe, du hast einen zauberhaften Geburtstag und lässt dich feiern!
Ich bin gespannt, wann wir endlich die gemeinsame Ballonfahrt gestartet haben werden oder ob wir doch nur gemeinsam ein Fischbrötchen am Niendorfer Hafen verputzt haben werden können sein (in 50 Jahren weiß ich das hoffentlich und verstricke mich nicht in grammatikalischen Zeit-Absurditäten)

Hach, was für eine Freude… Sterben? Kann ich. Gar nicht so schlimm – im Gegenteil.

Mir klingt ein „Huhu!“ im Ohr. Nanu, das kenne ich doch?!? Heyyyyy… Da bist du ja! 7 Jahre bist du nun schon nicht mehr hier… Aber ich weiß noch ganz genau, wie phantastisch sich deine Umarmungen anfühlen. Seufz… Wie wunderprächtig wäre es, mir heute eine solche abzuholen… Unfassbar lang her und gleichzeitig „wie gestern“: Erinnerungstage sind schon etwas ganz besonderes. Im kommenden Jahr wirst du länger tot sein als wir uns überhaupt kannten. Dieser Zeitpunkt erschien mir vor noch nicht allzu langer Zeit sehr seltsam, unwirklich – nun ist er so nah. Gleichzeitig fühlt es sich nun unwichtig an. Die Zeit mit dir war wertvoll, die Zeit ohne dich auch. Alles hat seine Berechtigung.

Nun, mit dieser etwas ver-rückten Geschichte habe ich mich durch die Zeiten gebeamt, Erinnerungen geweckt und Gefühle aktiviert. Wie du siehst, ist der letzte Beitrag hier im Blog bereits 1 Jahr alt – meine Trauer ist still geworden und braucht keine großen Worte mehr. Nichtsdestotrotz ist sie nicht weg, nur ruhig.

Ein Stück untröstlich und ein Teil von mir.

Danke, liebe Petra, für diese Blog-Aktion, die mir so viel Freude bereitet hat. Ich freue mich auf Zypern irgendwann!

(*) Wenn man so richtig viel in den Sarg packt, bleibt vermutlich mehr Asche übrig, als in eine Urne passt. Hier eine Phantasie, was man mit der überschüssigen Asche veranstalten könnte ;0)

Lieblingsessen…

Lieblingsessen…

Ich grüble seit dem Wachwerden: Was war dein Lieblingsessen?!
…es will mir nicht einfallen… Erst hat mich das ganz traurig gemacht. Wieso weiß ich das nicht mehr? Weshalb finde ich keine Erinnerung dazu? Vergesse ich?

Fakt ist: ich könnte es dir heute nicht kochen, weil es mir nicht einfallen will… Fakt ist auch: das macht nichts, denn du bist nicht hier…

Das 6. Mal schon…

Der sechste Geburtstag, den du nicht mehr mit uns gemeinsam feierst… 54 Jahre könnten wir heute feiern – wenndenndann…
Nein, heute gibt es keine Party, kein Erinnerungsfeiern. Mir ist nicht danach.
Aber ich fühle mich dir heute ganz besonders verbunden, bin in Gedanken bei dir.

„Du bist ein Geschenk…“

Was für eine tolle Wertschätzung, wenn man so etwas gesagt bekommt, oder? Ich fühle mich reich beschenkt, dass ich Menschen in meinem Leben habe, die solche Sätze zu mir sagen und denen ich solche Sätze sagen mag.
…tja, und diese Menschen sind nur in meinem Leben, weil du nicht mehr da bist… Das fühlt sich ein wenig traurig an – aber tatsächlich nur ein wenig…

Denn… eigentlich bist du gar nicht so weg, wie ich das anfangs dachte (am Anfang der Trauerzeit). Es ist tatsächlich eine Verbundenheit geblieben und als Teil von mir, von meinem Leben, gehst du weiter mit mir mit. Jede/r auf der jeweiligen Seite… Zu spirituell? Zu abgedreht? Nein, finde ich nicht. Ich fühle mich frei, weil da diese Verbindung besteht. Ob das andere auch so fühlen, kann mir dabei gleichgültig sein.

Vor ein paar Tagen hast du mich im Traum besucht. Das war voll schön, denn ich hatte gar nicht mit dir gerechnet… Dein Bild war in meinem Alltag gar nicht so recht präsent. So war es schön, kurz mit dir zu reden – allerdings traumgesteuert, ich hatte da keinen direkten Einfluss… Ich glaube, das war ziemlicher Blödsinn, den wir da geredet haben ;0)

Rosenkohlabenteuer…

Nun ist mir auch eingefallen, dass es wohl gar kein Lieblingsgericht gab, das dein absoluter Favorit war. Du warst einfach stets sehr „dankbar“ beim Essen, hattest keine großen Ansprüche. In einem Haushalt groß geworden, in dem das Kochen eher „Glückssache“ war (wie oft habe ich wohl die Augen verdreht, wenn du mal wieder getönt hast, wie lange es angeblich gedauert habe, bis du wusstest, dass Rosenkohl beim Kochen nicht braun werden muss – hahaha…), hatte das Essen keine große Wichtigkeit.

Essen gehen, sich im Restaurant verwöhnen lassen – das hast du geliebt…
In diesen Zeiten ist ein Restaurantbesuch nicht so schön, wie er sein müsste, um dich zu feiern… Wir holen das nach, ja?

Auf dich!

Trauer muss nicht immer traurig aussehen...
…du fehlst!

Alles Liebe zum Geburtstag!!!

Ein Licht…

Ein Licht…

In vielen Zimmern brennen heute nicht nur zwei Kerzen – schließlich ist heute der zweite Advent – eine weitere steht ab 19 Uhr im Fenster und leuchtet in die Welt… Wie jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember gedenken wir der Kinder, die zu früh verstorben sind…

Heute ist wieder Worldwide Candle Lighting Day – auf den habe ich bereits vor zwei Jahren aufmerksam gemacht:

*klick* Ein Licht geht um die Welt…

Ich stelle heute Abend erneut ein Licht ins Fenster… In Gedanken erweitere ich den Gedenktag nämlich immer ein wenig für mich: ist doch schließlich jeder schmerzlich vermisste Verstorbene Kind von jemandem…
Und erneut erfüllt mich Sehnsucht danach, über die Welt zu fliegen und dem Lichtermeer zu folgen…..

Kerzentiere

Gaaanz ganz besonders zauberschöne Grafiken von Melanie Garanin passen ganz wunderbar zu diesem Tag! Melanie hat nach dem Tod ihres Sohnes Nils angefangen, diese Kerzentiere zu zeichnen… Mittlerweile gibt es 365 davon – für jeden einzelnen Tag des Jahres eines.

Das Licht ist so wichtig, wenn man in dieser dunklen Traurigkeit ist. Denn man lebt ja und versucht, die Tage wieder hell zu machen.

(Melanie Garanin auf ihrer Website: https://melaniegaranin.com/kerzentiere/)

Ich finde, nicht nur das Kerzenleuchten soll heute um die Welt gehen, sondern auch Melanies Kerzentiere – daher mag ich ihren Blogbeitrag teilen:

*klick* zu Melanies Blog

Ihr findet dort einen Link, über den ihr bis Montag früh (9.12.2019) ihre Kerzentiere anschauen und auch herunterladen dürft. Ein zauberhaftes Geschenk von ihr, oder? Bitte beachtet vor dem Download die Regeln, die sie zur Verwendung vorgibt!

Ich konnte mich kaum entscheiden, welches mir am besten gefällt… Aber der Lemur rührt mein Herz am meisten:

Nummer 312: der Lemur
Kerzentiere von (c) Melanie Garanin – ein Ausdruck ihrer tiefen Trauer um Sohn Nils

Was für eine tolle Ausdrucksform für Trauer – traurig, (irr)witzig, rührend, wütend, lustig, verzweifelt… Wie viele Facetten hat die Trauer wohl… Unzählige, oder?

Leuchtet auch bei dir heute ein Licht? Wen vermisst du…?

Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay

PS: diesen Blogbeitrag kann man ganz vielleicht als Werbung verstehen – die erfolgt aber unbeauftragt und unbezahlt aus Überzeugung ;0)

Fünf…

Fünf…

Mein Kalender sagt, es sei heute 5 Jahre her… Im Bootcamp habe ich irgendwie das Gefühl für Zeit vergessen – doch selbst wenn nicht: könnte ich wirklich begreifen, dass du vor 5 Jahren gestorben bist?! Ist das ein „schon so lange“ oder eher ein „erst“? Da ist wieder dieses „Gummiband“-Gefühl. Aber egal, ob das Gummiband bis kurz vor dem Zerreißen gespannt ist oder einfach locker herumwackelt… Du fehlst! Hier und heute. Schmerzhaft…

Jedoch: Es hat sich tatsächlich gewandelt… Wandeln dürfen… Dieses Vermissen-Gefühl.
Anfangs war da dieser unbändige, atemraubende Schmerz. Ein körperliches Reißen, eine alles mit sich reißende Trauerwelle… So stark und überwältigend, dass ich dachte, das könne nie vorüber gehen.
Auch heute läuft mir eine Träne (mindestens… naja, nee, eher mehrere…), während ich schreibe. Dein Tod lässt mich weiterhin fassungslos innehalten. Aber die Trauer ist heute ein wärmender Mantel, in den ich mich kuscheln kann. Ja, es tut weh, dass du nicht mehr lebst… Aber der Schmerz hat sich in ein Sehnen verwandelt. Sehnsucht nach dem, was war. Nach dir und dem, was du für mich warst…

„Mitten aus dem Leben gerissen“

Das passt nicht nur zu deinem Leben, das viel zu früh endete. Nein, es passt auch zu meinem Leben. Ich war 41 und fühlte mich angekommen bei dir und mit dir. Eigentlich dachte ich, unser gemeinsames Leben wäre mein Ruhepol – Abenteuer und Action und Drama findet um uns herum statt, aber es gibt immer diesen Menschen, in dessen Armen ich mich geborgen fühlen darf. Mein Fels in der Brandung… Beinahe von jetzt auf gleich fliegt mir mein Leben um die Ohren… Der Fels: explodiert… Auch ich: mitten aus dem Leben gerissen.

Solch ein Fels in der Brandung wie du für mich gewesen bist – so einer liegt nun als Markierung an deinem Grab im Ruheforst. Aus dem Bauch heraus habe ich damals entschieden, dass dieser große Findling besser passt als ein Baum. Die Parallele dazu ist mir aber erst heute aufgegangen…

Stellvertretend für dich strahlt er auf mich eine wohltuende Ruhe aus. Ein paar Blütenblätter habe ich dir heute mitgebracht… Eine Kerze brennt im Windlicht (das kommt natürlich wieder mit heim)… Gedanken, Sehnsucht und Erinnerungen wehen durch die restlichen Blätter an den Bäumen… Mein Bild von dir ist sehr präsent – dachte ich jedenfalls…

Erinnerungen…

Als ich neulich in der Küche eine Kiwi löffelte, hat sich meine Mutter sehr über mein „die-Kiwi-ist-verflixt-sauer“-Gesicht amüsiert. „Die hätte Andreas mal essen sollen. Was meinst du, wie er geschaut hätte?! Er mochte doch nichts Saures.“

Ich war total überrascht und auch ein wenig erschreckt, dass ich das nicht mehr weiß… Ich kann mich nicht daran erinnern… Vergesse ich nun doch immer mehr von dir? Verschwindest du nach und nach aus meiner Erinnerung?!
Aber dann geht mir auf: nein, ich habe lediglich andere Erinnerungen mit dem „wertvoll“-Stempel markiert und abgespeichert. Nun freue ich mich, dass mir diese zusätzlichen Erinnerungen quasi geschenkt werden… Und ich erkenne auch: du warst für jeden Menschen, der dir begegnet ist, ein wenig anders… Jede Begegnung war voller Facetten deiner Persönlichkeit – spannend, dass jede und jeder so ein anderes Bild von dir gewonnen hat.

Mein Bild von dir ist fest in meinem Herzen…

An der Steilküste mit Blick aufs Meer ist es, als wehe der Wind eine Erinnerung von dir herüber… Oder bist das du? Ich lehne mich an dich und schicke dir meine Gedanken:

„Schau mal… Schön hier!“

Silberwasser, Buchenlaub und Muscheln,… Ruhe im Innern… RuheForst am 17.11.2019 (pic: Anja Pawlowski)
Geschenke…

Geschenke…

Du hast Geburtstag und ich bekomme die Geschenke!!!

Yay… Wie toll!!!
…oder?!

Ich habe nun bestimmt 10mal in den Kalender geschaut und nachgezählt… 5?!? 5 Jahre?!? Der 5. Geburtstag ohne dich??? Egal, wie oft ich zähle. Es bleibt dabei.
Und ich bin irgendwie fassungslos.

Fassungslos und traurig. Nicht zu Tode betrübt, aber traurig… Du fehlst…

Und wieder einmal war ich auf diese Traurigkeit nicht vorbereitet. Mit Fertigstellen des Buches habe ich noch so viele Tränen vergossen, dass ich wirklich dachte, nun sei auch erst einmal wieder gut.
Und überhaupt bin ich doch momentan so glücklich und lebendig – wie passt es da, dass ich dich vermisse?

Tja, ich habe aufgehört mit dem Versuchen, diese Gefühle zu verstehen. Sie sind halt da.

Zurück zu den Geschenken:

Ich fühle mich reich beschenkt, denn ich habe Menschen in meinem Leben, mit denen ist eine ganz fantastische Bandbreite an Gesprächen möglich.

Ohne deinen Tod hätte ich diese Menschen so nicht getroffen… Ich weiß ja nicht, wie es so ist, da, wo du jetzt bist – aber ich kann mir gut vorstellen, dass du mich um diese Begegnungen beneidest… beneiden würdest?! Hm, für solche Formulierungen gibt es im Deutschen wohl nicht die richtige Zeitform ;0)

Wenn ich so überlege, sind das Menschen, die den Tod direkt gespürt (im Sinne von erlebt oder gesehen) haben oder die ihn ganz direkt in ihrem Leben aushalten können. So viel Lebendigkeit ist möglich, wenn man den Tod als Zeichen der Endlichkeit akzeptiert.

Gerade auf der Messe „Leben und Tod“ habe ich viele solcher lebendigen Gespräche geführt: in der einen Minute fällt man sich vor Wiedersehensfreude um den Hals und lacht schallend über ein ulkiges Erlebnis – in der nächsten erzählt man auf einmal, wie man dem Tod begegnet ist.

Facebook-Verknüpfungen in die Realität holen, virtuelle Blog-Bekannte live und in Farbe treffen (liebe Grüße an die Waldträumerin!),… Ein Geschenk, was für herzliche Verbindungen aus diesen sehr oberflächlichen Medien entstehen!

Wertvoll, wenn man Menschen begegnet, mit denen man sehr kurzfristig und echt zwischen lustig und tief wechseln kann. Selten, deshalb besonders. Danke!

(Stefan Bitzer)

Das finde ich so schön und treffend formuliert, dass ich gefragt habe, ob ich es hier in meinen Blog kopieren darf (danke Stefan!).

Noch ein Geschenk 💙

Ja, und das sind teilweise wirklich krasse Schicksalsschläge, die man sich da berichtet. Manchmal auch Geschichten, bei denen mir der Gedanke kommt „ich könnte das nicht aushalten“ (obwohl ich ganz genau weiß, dass das so nicht stimmt – und: würde ich glauben, dass ich meine eigenen Erlebnisse (er)tragen könnte, wenn ich sie nicht bereits erlebt hätte?!?).
Ich kann gut verstehen, dass nicht jede oder jeder es aushalten kann, frei darüber zu sprechen, sondern sich lieber hinter einer Maske oder in sich selbst versteckt… Und auch nicht jeder oder jede kann nach solchen Erzählungen von ganz persönlichen Dramen lachen und Witze machen…
Umso mehr schätze ich es, wenn man mir mit der gleichen Offenheit und Ehrlichkeit begegnet, die ich für mich als selbstverständlich erachte…

Mir gibt das eine ganz besondere Freiheit und Leichtigkeit… Ohne Maske ist Fliegen möglich… Und dann schaffe ich es manchmal, einen übergeordneten Blick zu finden

Vom Mond aus betrachtet, spielt das Ganze gar keine so große Rolle.

Oder aber von über den Wolken… Danke, liebe Silke, für dieses Foto (wieder ein Geschenk), das ich hier so passend finde:

Freunde geben die nötige Leichtigkeit in Zeiten der Trauer
(c) Silke Kaiser

…und wenn ich schon da oben herumschwebe, fühlt es sich fast so an, als könne ich dir winken…

Danke, dass du in meinem Leben warst und dass durch dich mein Leben eine so besondere Wendung genommen hat…

Träne aus dem Augenwinkel wischen (schluchz, doch mehr als eine…) und dankbar lächeln…

Alles Liebe zum Geburtstag, Andreas ♥♥♥

Memento mori

Memento mori

November bedeutet: Totenhemd-Challenge-Zeit! Es ist wieder soweit: Petra Schuseil und Annegret Zander rufen mit ihrer jährlichen Blog-Challenge auf:

Memento mori – werdet kreativ!

Also eigentlich hatte ich was Kreatives vor – aber da der Zustelldienst meine Lieferung sonstwem geliefert hat (jedenfalls nicht mir), musste ich umdisponieren…

Ich möchte euch gerne an meinen Erinnerungen teilhaben lassen: heute vor 4 Jahren ist mein Liebster gestorben… Ein Brief in den Himmel ♥

…aaaber, ich schreibe nicht an Andreas – wie ich es erst vorhatte – ich schreibe an jemand anderen:


 

Lieber Tod,

ich schreibe dir – dabei hätte ich viel lieber meinen Andreas gerade heute, gerade JETZT neben mir… Vorhin hatte ich kurz das Gefühl, er sei da… Kann das sein? Oder hast du mir mit einem Hauch zeigen wollen, dass ich noch hier und am Leben bin?!

Ja, ich lebe… nur heute schmerzt dieses Leben unfassbar! Ich tauche durch Erinnerungen, die weh tun, denn ich vermisse ihn gerade sooo sehr. Warum hast du ihn mitgenommen?!

Er fehlt mir sooo…

Ich erinnere mich an diesen letzten Abend, bevor Andreas starb… Er war ganz unruhig, wollte unbedingt aufstehen, obwohl das zu dem Zeitpunkt nur noch mit meiner Hilfe und ganz viel Mut und Kraft zu machen war. Sein Körper war schon so weit eingeschränkt… Aber da ihm das so wichtig war (ich weiß gar nicht mehr, wie er mir das zu verstehen gab – sprechen war schließlich auch nicht mehr möglich?!), habe ich ihm diesen Wunsch erfüllt… Er wollte partout auf der Couch sitzen. Für Sohn und mich war „Voice of Germany“-Zeit – da wollte er gerne dabei sein und fernsehschauen. Ich weiß noch, wie anstrengend das für ihn war… Aber wir saßen tatsächlich ungefähr 5 Minuten alle drei einträchtig gemütlich auf der Couch… Aneinander gekuschelt fühlte sich das tatsächlich so herrlich vertraut und „normal“ an… Seufz…

Nach diesem innigen Moment war es, als hättest du bereits im Raum gestanden, um nach uns zu schauen… Vermutlich hast du dich doch erweichen lassen, als du uns so gemeinsam gesehen hast, oder? Ich hatte plötzlich das Gefühl, es gäbe einen kleinen Aufschub für uns. Und doch war da dieser kalte Schauer gefühlter Endlichkeit.

Danke! Danke für diesen schönen letzten gemeinsamen Moment… Danke für diese letzte Nacht, die noch so liebevoll und innig und ohne Ängste verlaufen durfte… Danke, dass du mir nicht übel genommen hast, dass ich dich nicht wahrhaben wollte… konnte…

Ach, was habe ich mit dir gerungen, wollte dich weder sehen noch akzeptieren… Du hast das ignoriert – hattest deine Vorgaben, Pläne oder irgendwelche Gründe… Du hast mir schließlich meinen Herzensmenschen einfach so gestohlen. Dabei hatten wir doch Pläne und Träume… Ich war so unerhört wütend auf dich!

Weißt du, ich hätte so sehr eine Erklärung gebraucht von dir: warum muss ein so junger Mensch sterben? Wo ist da der Sinn? Was hast du dir dabei gedacht???????

Ich habe bis heute keine Antwort auf diese Fragen… Mittlerweile habe ich das akzeptiert: es gibt einfach keine Antwort. Nicht jetzt. Aber glaube mir: ich hebe mir diese Frage auf! Eines Tages, da begegnen wir uns ja auch direkt und persönlich. Dann mach‘ dich darauf gefasst, dass ich dir einiges um die Ohren hauen werde!
…vielleicht aber werde ich auch dann bereits verstanden haben… Wer weiß.

Was ich nun zu verstehen glaube ist ein großes Geschenk, dass du mir ganz nebenbei dagelassen hast (war das Absicht?):

Ich soll end-lich leben!

Mit Haut und Haaren, mit Liebe aus vollem Herzen, Glück aus tiefster Seele, unaushaltbar scheinendem Schmerz, schallendem Lachen, tränengerührten Gesprächen, erquickender Musik,… Die ganz große Achterbahn mit drölfzig Loopings! Her mit dem Leben!

…und das tue ich! Neulich gerade habe ich mich darüber beschwert, dass diese Achterbahnfahrt so immens anstrengend ist – aber, weißt du was? Sie ist soooooo großartig, denn sie lässt mich das Leben mit voller Wucht und in so großer Bandbreite spüren, dass es diesen Kraftakt sowas von wert ist!

Tschakkaaaaa!

Pläne, die mache ich nur noch kurzfristig in absehbarer Zeit – und zwar so, dass ich es ganz unproblematisch finde, wenn sie nicht umgesetzt werden können. Träume… ja, die gibt es. Aber ich träume nicht lange vor mich hin: meistens braucht es nur einen Ruck, um sie Wirklichkeit werden zu lassen… Und wenn nicht, sind sie auch einfach nicht so wichtig.
Ich fühle mich noch weit davon entfernt, dass ich so lebe, als könnte ich jeden Moment sterben und das wäre okay. NEIN! ICH WILL NOCH NICHT! Ich möchte bitte noch hier bleiben!

Aber ich sehe dich jetzt, lieber Tod! Ich verstecke mich nicht, sondern ich nutze die Zeit, die ich habe.

…und wenn du dann eines Tages zu mir kommst, werde ich bereit sein. Ich glaube, wir werden uns wie Freunde umarmen und ich werde mich freuen, mit dir gehen zu dürfen. Das wird nämlich eine große Ehre sein und die Ängste, die wir Menschen uns hier zusammenreimen, sind einfach komplett irrsinnig…

Bis dahin sei aber so gut und gib mir Zeit, ja? Ich möchte mein end-liches Leben genießen!!!

Deine Anja

PS: …untersteh‘ dich und hole meinen Sohn vor mir ab! Dann bist du fällig!

PPS: …denk‘ dran, ich erwarte eine Antwort auf meine Fragen!


 

Ein herrlicher Erinnerungsnachmittag im Ruheforst… Es sind viele Tränen geflossen, denn ich kann es kaum fassen, dass es 4 Jahre her ist, dass du sterben musstest… Ich fühlte mich dir ganz nah… Und gleichzeitig warst du so weit weg…

Da war dieser Raubvogel, der eigentlich auf Beutezug war und dann auf einmal zu uns flog… Magisches Licht im Wald… Wind von Ost, der das Meer aufwühlt… Laubrascheln…

Wir haben dir einen „waldgerechten“ Altar aufgebaut. Rosenblätter, eine Muschel vom Strand, ein Brief, ein Herz aus Vogelfutter… eine Kerze, damit du uns leuchten sehen kannst… Das Windlicht haben wir wieder mit heim genommen, denn das darf ja im Wald nicht stehen bleiben…

…wish you were here!