Gisela

Gisela

„Hast du schon gehört, dass…“

Nein, hatte ich nicht, die Nachricht hat mir für einen klitzekleinen Moment den Boden unter den Füßen weggezogen. Meine weltallerbeste Trauerbegleiterin Gisela verstorben? Wie kann das sein, was ist passiert, ein großes

Warum?

steht in meinem Kopf… Mein Herz hingegen versteht sofort, es weint…

Meine Augen weinen nicht, ich bin einigermaßen fassungslos. Ich sitze im Bus, ein Koffer neben mir. Ich bin auf dem Weg zu einem schönen Wochenende mit lieben Menschen, auf das ich mich lange gefreut habe.
Eben noch lachend und voller Vorfreude, dann „badabumm“ irgendwie aus der Bahn geworfen…
…und doch: weiterhin voller Vorfreude, denn ich weiß, dass ich auf meiner Reise mit Menschen zusammen bin, bei denen ich mit allen Emotionen willkommen bin.

Eine Erinnerung besucht mich:

Gisela ist bei mir zu Hause zu Besuch. Sie war auf einem Fortbildungswochenende irgendwo in der Nähe von Lübeck und so war der Weg nicht allzu weit: „Ich komme vorbei!“
Wir unterhalten uns, es fließen viele Tränen bei mir… Es muss irgendwann im Frühjahr nach Andreas‘ Tod gewesen sein.
Sie animiert mich dazu, eine Übung im Stehen zu machen: Wir stehen gegenüber, halten uns an den Händen und schauen uns an. Meine Aufgabe ist es, laut „NEIN“ zu rufen, sie antwortet ebenso laut „JA!“ Immer im Wechsel, ab und an die „Ja“- und die „Nein“-Rolle tauschend.
Ich weiß noch, dass es mir etwas peinlich war und ich überlegte, ob wohl die Nachbarn gleich klingeln kommen würden?!?
Dann war es egal und ich konnte mich darauf einlassen.
Ich habe keinen Schimmer, weshalb wir diese Übung machten, was der Sinn darin war – das ist im Trauernebel verloren gegangen – doch nach einer Weile konnte ich nicht mehr an mich halten:
Ich habe lauthals gelacht!
Vielleicht war dies der Sinn, vielleicht auch nicht. In jedem Falle hatte ich mein ganz persönliches Highlight erreicht: Ich habe für einen Moment Leichtigkeit verspürt und losgelassen…

Was für ein Geschenk!

Ja, in der Tat: Gisela war mein ganz persönliches Geschenk in der Anfangszeit meiner Trauer. Dafür war und bin ich unendlich dankbar.
Ich hätte es ohne sie durch diese Zeit geschafft, klar. Doch mit ihrer Begleitung war es so viel leichter, so viel bereichernder…
…und vermutlich würde es diesen Blog und mein Buch nicht geben, hätte sie nicht die passenden Impulse gegeben.

DANKE!

Ein kleines Seufzen lässt mich grübeln: Weshalb hatten wir eigentlich keinen Kontakt mehr? Warum wusste ich gar nicht, wie es ihr gerade ging?
Das nennt man wohl Leben… Und es zeigt sehr eindrücklich, wie wunderbar Gisela’s Begleitung war. Sie hat mich durch die erste Trauerzeit begleitet, literweise Tränen und Wutausbrüche und Verzweiflung mit ausgehalten und mir einen/meinen Weg gezeigt, auf dem ich die ersten Schritte gewagt habe. Wie bei einer wackligen Seiltänzerin bei den ersten Versuchen war sie mir Haltestange und Mutmacherin zugleich…
…schließlich hat sie mir meinen weiteren Weg zugetraut, zugeMUTet.

Genauso war es richtig für mich. Ich wusste, ich könnte mich jederzeit bei ihr melden – brauchte es aber gar nicht mehr.

Diese wunderbare Frau

Mit diesem riesengroßen Herzen hätte sie eigentlich noch viele, viele Jahre in dieser Welt wirken dürfen, finde ich. Menschen wie Gisela machen unsere Gesellschaft ein Stück besser, ein Riesenstück reicher… Hat die Zeit gereicht? Sicher nicht. Ich hätte ihr von Herzen gegönnt, noch Jahre, ach was: Jahrzehnte mit ihrem Kai verbringen zu dürfen, das Leben zu genießen und mit vollen Händen und Herzen einzusammeln, was sie in ihrem Leben „gesät“ hat.

Vielleicht dürfen wir das nun tun: Das, was Gisela bewirkt hat, weiter in die Welt tragen.
Mit offenem Herzen und klugem Blick wahrnehmen, wo es Hilfe braucht, wer Unterstützung benötigt, wann wir jemandem beistehen sollten?! Das ist leicht.
Schwer ist es sicher, dass wir das nun ohne sie tun müssen. Schmerzlich schwer…..

Sie hat ihre Liebe verschenkt, Wissen vermittelt, Menschen berührt, Impulse gegeben, Vieles bewegt.
Und nun? Nun mutet sie uns ähnlich wie mir am Ende unserer Begleitungszeit zu, dass wir ohne sie weitergehen können. Schritt für Schritt in unserem jeweils eigenen Tempo.

Was bleibt?

Gisela hat für immer einen Platz in meinem Herzen: Dankbarkeit, Respekt und Verbundenheit kann mir niemand mehr nehmen.

Was auch bleibt, ist ein wunderVOLLes Vorwort in meinem Buch, das für immer an sie erinnern wird.

Und dann gibt es noch diesen Satz, den sie mir geschenkt hat:
„Ich mag diese Frau! Sie ist soooo toll. Sie kämpft und liebt und leidet – da darf man auch ein paar Spuren sehen.“
Mehr dazu kannst du im Blogbeitrag „Spieglein, Spieglein“ nachlesen.

Danke, liebe Gisela! Für dein Wirken, für deine Liebe, für dein Haltgeben, als ich es so sehr brauchte!

Gisela Sender 13.09. 1958- 14.10.2024

Update 2.11.2024

Heute ist deine Abschiedsfeier in Bremen… Ich bin in Gedanken dabei und stelle mir vor, dass es sehr voll sein wird. Du hast so viele Menschen berührt, begleitet, inspiriert und bewegt…

Hier in Lübeck scheint die Sonne vom blauen Himmel und der Blick nach oben ist frei. Das tut gut und nimmt diesem Abschiedstag ein wenig die Schwere… Denn schwer bleibt es. Mit 66 Jahren fängt das Leben doch erst an…?

Eben in der Küche fiel meine „Freundschaft“-Karte zu Boden. Ich nehme das mal als Zeichen und liebevolle Erinnerung: Es gibt so Vieles, das bleibt.

…und das kann uns keiner nehmen!

Gute Reise, liebe Gisela!!! Du fehlst!!!

Pippi, du fehlst!

Pippi, du fehlst!

Ich weiß das doch eigentlich…
Ich weiß, dass es irgendwann leichter wird…
Ich weiß, dass der Schmerz nachlässt…
Ich weiß, dass das Leben schön ist – auch ohne dich hier…
Ich weiß, dass du nicht ganz fort bist…
…und doch:

Du fehlst. Hier. Jetzt. Immer.

Ein Motiv einer Trauerkarte von MANUmalt - mit freundlicher Freigabe für diesen Beitrag. DANKE!
So nämlich!
…Näheres zu diesem Bild am Ende des Beitrags

Ich stand auf dem Steg vor dem Büro, als der Anruf kam. Heute vor einem Jahr… Erlösend irgendwie. Und doch war *zack* kurz der Boden unter den Füßen weg.

Sie hat es geschafft.

Was denn, bitte?
Ich erinnere mich nicht an einen genauen Wortlaut vom Freund, der anrief, denn mein Verstand setzte kurz aus. Ich weiß auch nicht mehr, was ich geantwortet habe… Was kann man schon sagen, wenn jemand verstirbt, dem man einerseits aus ganzem Herzen Erleichterung wünscht und in der gleichen Sekunde das große Loch fühlt, dass ins eigene Herz gerissen wird?

Und doch: Bei all‘ dem Schmerz, es war gut so. Ich bin dankbar, dass du nicht länger leiden musstest. Krebs kann ein fieses Arschloch sein. Und ein Killer.

Was hattest du es schwer. Das mit dem Sterben ist gar nicht so leicht, wie oft behauptet wird. Jedenfalls nicht, wenn man nicht will. Denn obwohl Mut und Hoffnung aufgebraucht waren und der Körper gar nicht mehr der Deine schien: Dein Löwenmama-Herz hat jede Sekunde festgehalten an diesem Leben…

Das Kämpfen hat dich oft im Leben begleitet, das konntest du richtig gut. So zart deine Erscheinung auch wirken mochte, du hattest so richtig „Biss“.
Ich muss noch immer jedes Mal lachen, wenn ich „Roxanne“ von The Police höre – ja, und manchmal auch heulen… Du hast mir so stolz erzählt, wie du dich mit dem kleinen Sohn gebattlet hast, wer am zackigsten zu jedem „Roxanne“ im Lied einen Burpee hinlegt (fürs Protokoll: ich schaffe keinen einzigen *lach*)

Deine geliebten Boxhandschuhe – natürlich in pink – haben dich auf dem letzten Weg begleitet…

Ich wollte googlen, wie häufig der Name im Lied gesungen wird. Das habe ich nicht herausgefunden. Allerdings weiß ich nun, dass das Lied von 1978 ist, also gar nicht so weit weg von unserem Geburtsjahrgang.

Unserem?

Ja, wir sind im selben Jahr geboren. Ich im Januar, du im Mai. Ich habe im letzten Jahr meinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert, du nicht. Ungerecht? JA!!!
Dennoch begleitest du mich im Herzen weiterhin bei jedem wichtigen Ereignis. Ich spüre deine Präsenz und weiß, dass wir nicht miteinander sprechen müssen, um uns nah zu sein.

Sie nehmen ab, die Momente, in denen ich spontan zum Telefonhörer greifen möchte und dir schnell was erzählen muss.

Ich habe verstanden, dass ich an der Abfahrt der Bundesstraße nicht mehr abbiegen muss, um zu dir zu fahren.

Dein Platz ist nun dort, wo du am liebsten warst: am Meer.
Draußen vor Strande am Leuchtturm hast du nun einen Platz in der Ostsee. Ich hadere ehrlich gesagt ein wenig damit, dass es nun keinen festen Platz gibt, wo ich dir „begegnen“ kann. Dieses „überall“ ist echt schwer zu greifen… Allerdings hast du es dir so gewünscht und genau genommen ist dein Platz am Strand von Strande. Punkt.

Das Schiff zieht einen Kreis um deinen Ruheplatz in der Ostsee. Schön hier. Und so bist du überall bei uns, wenn wir aufs Meer schauen…
Blick vom Heck des Bestattungsschiffs auf die Ostsee – Seifenblasen begleiten uns…

Was bleibt?

Ich weiß, dass deine größte Angst war, vergessen zu werden. Bekloppte Idee. Geht doch gar nicht.
Da sind sooo viele Erinnerungen in meinem Herzen. Angefangen von Kindergeburtstagen im Kindergartenalter über Kleingartenabenteuer und Gummitwisthüpfen in der Grundschule bis zu einer Wiederbegegnung nach einer Freundschaftspause in der Teenie- und Twenzeit beim Kinderwagenschieben (dieses Mal mit unseren Söhnen statt unserer Puppen)… Wir haben die Lebenswellen gesurft und uns so manches Mal gegenseitig zurück aufs Board geholfen, wenn eine ins Wasser fiel…

„Bitte mach das mit mir“

Mit diesen Worten hast du mir im September 2021 eine Werbe-Mail vom Muddy Angel Run weitergeleitet. Ich habe ohne Zögern die Buchungsseite für 2022 aufgerufen und Tickets für uns gekauft (by the way: ich hasse solche Events und hätte niemals freiwillig ohne Anlass gebucht).
Ganz ehrlich?!
Nach Erfahren deiner Diagnose habe ich nicht damit gerechnet, dass wir tatsächlich beide an diesem Event teilnehmen…
Doch:

Das da rechts bin ich ;0)

…du hast der Prognose den Mittelfinger gezeigt und hast diesen Monaten noch irre viel Leben abgerungen und soooooooo viel gemacht, was du noch machen wolltest. Uns, die wir ohne dich hier bleiben, hast du damit so viel geschenkt. Einen großen Schatz an Erinnerungen…
…besonders für deine beiden Jungs bin ich unfassbar dankbar, was du da noch möglich gemacht hast.
RESPEKT!!!

Ich bewahre mir etwas von deiner Pippi-Langstrumpf-Mentalität und mache so gut ich kann ohne dich weiter, denn:

„Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“

(Pippi Langstrumpf)

Dieses Bild durfte ich mit ihr gemeinsam basteln und nach ihrem Tod als Trauerkarte verschicken (ihren Namen habe ich hier entfernt)

Kurz bevor ich diesen Beitrag fertig getippt habe, ist mir auf Instagram ein Beitrag von Manu begegnet: Sie hat wunderschöne Trauerkarten erstellt und eine davon passt so gut zu meinem Vermissen. Kurzum habe ich gefragt, ob ich dieses Bild für meinen Beitrag verwenden darf und sie hat JA gesagt ♥

Screenshot von Instagram  https://www.instagram.com/manu.vom.leben.beruehrt

Wenn ihr die Karten auch so schön findet wie ich, könnt ihr sie bei Manu bestellen (Verlinkung, weil’s so schön ist / unentgeltliche Werbung):
MANUmalt auf Etsy

Verstellbarbank

Verstellbarbank

Fröhlich inspiriert starte ich das Tippen für einen neuen Beitrag im Rahmen der diesjährigen November-Blogaktion vom wunderbaren Totenhemdblog.
Worum geht es bei diesem Mal?! Oha… Wartet mal… Das ist bereits die
9. Blogaktion???
What?!?
Das passt ja ausgezeichnet – ist doch heute der 9. Jahrestag ♥

9 Jahre….. Da muss ich direkt mal innehalten. 9 Jahre, seit du gestorben bist… Du fehlst… Seufz.
AUF DICH!!!

In dieser (9.!!!) November-Blogaktion ist das Thema ausgerufen:

Humorvolle Grabinschriften zeigen ein buntes Leben

Da ich tendenziell eher selten auf Friedhöfen unterwegs bin, habe ich mich auf Spinnereien eingelassen und mir überlegt, was ich für mich denn gern hätte…

Für mich ist ein Platz im Ruheforst reserviert, daher fällt die Option weg, einen Grabstein dort aufzustellen.

Dann erinnerte ich mich an ein Posting auf Facebook, das ich auf meiner Seite geteilt hatte:
„Ich möchte später kein Grab. Ich möchte eine Bank mit meinem Namen darauf. So kann sich jeder zu mir setzen, der mit mir reden möchte.“
Daraus entstand eine inspirierende Diskussion darum, dass es viel schöner sein könnte, eine Gedenk-Bank aufzustellen, wo man sich niederlassen kann. Jede/r der Beteiligten hatte andere Vorstellungen davon, wo diese Bank dann zu finden wäre.

Meine? Meine stünde am Atlantik… Definitiv… Im silbernen Sand der Côte d’argent mit Blick auf die tosenden Wellen… Hach… Ja, sie hätte ausreichend hohe Bankbeine, damit man nicht nass wird, wenn die Wellen anrollen (zu häufig hatte ich live am Strand nasse Klamotten, wenn ich nicht auf Baden eingestellt war…).
Ich sitze gedanklich bereits dort – kommst du auch?!

Oh, Moment mal… Da ist dieser Ort im Ruheforst, wo man den Wind in den Bäumen hört, während unten an der Steilküste die Wellen plätschern… Dort sollte man auch sitzen können.

Und dieser fabulöse Platz am Mittelmeer, wo ich mir vorstellte, dass 3 Lieblingsmenschen Schabernack mit meiner Asche treiben (Was meine ich?! Hier nachlesen: *klick*) – das wäre auf einer Bank doch auch viel schöner…?

Auf Sylt bin ich auch so gern. Wie schön wäre es, wenn man dort am Lister Weststrand beinebaumelnd sitzen und an mich denken könnte?!

Und… und… und…

…es wird immer klarer: Für mich muss es eine Verstellbarbank sein, die jede/r sich hinstellen kann, wo es am schönsten ist – vielleicht sehe ich dadurch auch wunderschöne Lieblingsplätze, die mir bislang unbekannt geblieben sind?!

Was sagt dein Grabstein über dich aus?

Kürzlich hatte ich das Vergnügen, einen Film im Rahmen der Nordischen Filmtage in Lübeck zu sehen. Das „Für immer“ ist für ein altes Ehepaar Wirklichkeit geworden. Der Film begleitet sie auf dem letzten Weg, bevor einer von ihnen stirbt (von mir eine unbedingte Guck-Empfehlung: warmherzig und unaufgeregt und inspirierend!).
Auf der Kinoleinwand unterhielten sich Eva und Dieter Simon bei einem Spaziergang über den Friedhof über die Grabgestaltung und sinnierten darüber, wie schön es doch wäre, wenn auf dem jeweiligen Grabstein noch ein Spruch stände, der typisch für die dort begrabene Person war.

Bei mir stände dann vermutlich

Einfach mal machen, könnte ja gut werden.

Wäre ganz mein Humor *lach*.

Das mit der Bank ist übrigens gar nicht so spinnert. Das gibt es bereits. Im Netz gefunden habe ich, dass Dirk Bach eine solche Bank (in Pink!) an seinem Grab stehen hat. Allerdings – wie es so schön üblich ist in Deutschland – fällt sie möglicherweise Regularien zum Opfer. Weiß da jemand Aktuelleres?!

Hier findest du Infos zur Bank von Dirk Bach *klick*

Zurück zu meiner Verstellbarbank: Hier könnte ich dich wiedertreffen, mit dir gemeinsam auf der Bank sitzen, aufs Wasser schauen und vermutlich braucht es nicht viele Worte… Alles ist gut.
Wenn ich mich umdrehe und auf die Lehne der Bank schaue, sehe ich dort neben meinem Namen und meinen Lebensdaten geschrieben:

Schau mal, schön hier!

(c) Stefan Bitzer

Zeitsprung: Von meiner Wolke sehe ich, dass jemand auf meiner Bank sitzt… Oh, Besuch!
Ich eile und setze mich auf die Bank, die Beine baumeln, die Bömmel auf dem Kopf auch… Ich lache vor Vergnügen, wie die Wellen um die Beine der Bank rauschen.
Wie schön, dass du gekommen bist an diesem besonderen Tag. Es gibt Torte!!!

Herzlichen Glückwunsch zu deinem Geburtstag, liebe Sarah ♥



Tausend Dank für eure November-Blogaktion, ihr Lieben vom Totenhemdblog. Schrieb ich früher das auf, was gerade „dran“ war, schreibe ich jetzt nur noch auf Inspiration – hier wart ihr erneut der nötige Stupser…

Gastbeitrag: „Das Erbe der 500 Bücher“

Gastbeitrag: „Das Erbe der 500 Bücher“

…von Irene Kasapis

Haaaach, hier entsteht etwas Neues: Mein Blog öffnet die virtuellen Türen für einen Gastbeitrag und ich freue mich wie Bolle, dass Irene einen weiteren Schritt in die Öffentlichkeit wagt.

Irene durfte ich vor einiger Zeit kennenlernen – 2018 war es bereits, habe ich gerade nachgeschaut. Da war ich zu Gast in ihrem Podcast „Was bleibt, ist deine Liebe“, der leider nicht mehr online ist. Ich habe aber tatsächlich noch die Aufnahme davon – das muss ich mir unbedingt noch einmal in Ruhe anhören ♥

Kürzlich bin ich Irene auf Instagram erneut begegnet, sie veröffentlicht dort nämlich jeden Sonntag Gespräche mit ihrer Trauer – ich lese das supergerne, ihr vielleicht auch?

Irene auf Insta

Über die Autorin: 

Irene Kasapis ist geborene Münchnerin. Nach ganz viel Spiritualität kam die Kreativität in Form von Schreiben in ihr Leben.  

Auf Instagram veröffentlicht sie ihre Gespräche mit ihrer Trauer und Geschichten über (innere) Reisen und natürlich: über Bücher und was diese in ihr bewegen. Im Moment schreibt die Autorin ein Buch über ihre Reise(n) mit der Trauer und wie sie es geschafft hat, in einer gesunden Beziehung mit ihrer Trauer zu leben. 

Hier nun Bühne frei für Irene:


Nachdem meine Mutter starb, hinterließ sie ca. 500 Bücher. Ich kaufte mir den 16-teiligen Expedit Schrank, um diesen Berg von Büchern in meiner Wohnung überhaupt lagern zu können. Ihre Bücher waren größtenteils in den 50er und 60er Jahren gedruckt und haben meine Mutter durch bewegte Zeiten begleitet; eine Flucht aus der bis dato bekannten Heimat zum Ende des zweiten Weltkrieg, die Nachkriegsjahre und immer und immer wieder neu anfangen in wechselnden Städten. 

Ich stelle mir vor, dass meine Mutter in den Jahren, die auf die Flucht gefolgt sind, die Bücher gebraucht hat, um sich an etwas Beständigem festzuhalten. Sie war auf jedes einzelne Buch stolz und konnte mir bei fast allen Büchern erzählen, wo sie dieses gekauft hat. 

Über die zwanzig Jahre, die nach dem Tod meiner Mutter folgten, haben die Bücher auch mir Sicherheit gegeben. Der IKEA-Schrank war wie ein riesiger Altar zum Andenken an meine Mutter. In meiner unverarbeiteten Trauer, redete ich mir ein, dass solange die Bücher da standen und ich sie anfassen konnte, immer noch die irrationale Hoffnung bestand, dass meine Mutter zurückkommen würde. Nachdem das natürlich nicht geschah und mich die ungelebte Trauer zu ersticken drohte, begab ich mich auf die Suche nach Antworten. Ich begab mich auf meine ganz eigene Trauerreise und begann meine Trauer in mein Leben zu integrieren. 

Und dann wurde mir der selbstgebaute Altar zu einem Sinnbild des riesigen Trauerberges, den ich mit mir rumschleppte. Jedes Mal, wenn ich wieder vor dem riesigen Ikea Schrank stand, wurde mein Herz ganz schwer und das Wissen darüber, dass meine Mutter nie wieder kommen würde, um sich eins ihrer Bücher zu holen, sank immer tiefer in mich rein. Eines Tages machte es dann „klick“ in mir und ich wollte anfangen MEIN Leben zu leben MIT der Trauer und nicht wie bisher bestimmt durch die Trauer. Und so begann ich mich, Schritt für Schritt, von den geliebten 500 Büchern zu trennen. Möglichkeiten wie Momox und Flohmärkte, alles war mir recht, mich von den Büchern zu trennen. 

Ich habe wirklich nur noch drei Bücher aus der Sammlung meiner Mutter behalten. Diese hüte ich, wie einen Schatz, denn ich weiß, wenn mich die Trauer und Sehnsucht nach meiner Mutter überkommt, denn das tut sie und wird sie mein Leben lang tun, dann geben mir diese drei letzten Bücher Trost und Halt und ich fühle mich mit meiner Mutter verbunden. 

Gastbeitrag zum Thema Trauer von Irene Kasapis
Das Erbe der 500 Bücher

Dieses Bild ist von Irene selbst gemalt und findet daher auch einen Ehrenplatz ♥

Danke für dein Vertrauen, liebe Irene: Ich wünsche dir inspirierende Rückmeldungen zu deinem Schreiben und freue mich, wenn du mit Selbstsicherheit dein Herzensthema in die Welt trägst – wichtig und wertvoll!

DANKE!

Totenhemd – ist das Prosa oder kann das weg?!

Totenhemd – ist das Prosa oder kann das weg?!

Tataaa, es ist wieder so weit: ein Jahr ist rum, die alljährliche November-Blog-Aktion vom Totenhemd-Blog ruft – und ich bekam eine „Sondereinladung“ zur Teilnahme!!! Ich fühle mich zutiefst geehrt und möchte es nicht versäumen, an dieser Stelle die allerherzlichsten Geburtstagsglückwünsche an Sarah zu verschicken – hat sie doch extra diesen Tag für mich frei gegeben und dafür am 15.11.2022 mitgemacht:

Alles, alles Liebe zum Geburtstag, liebe Sarah!!!

Also, worum geht es in der diesjährigen Blog-Aktion? Wie folgt lautete die Ansage:

„Schreibe eine Kurzgeschichte egal welches Genre, ein Slam Poetry oder ein Lied. Die einzige Voraussetzung, das Wort „Totenhemd“ soll in deinem Text drin sein.“

Uff… Geschafft! Das Wort steht ja schon im Titel, dann bin ich fein raus ;0)
Prosa??? Kannichnicht. Egal, ich mache trotzdem mit!

Nun zur eigentlichen Text-Aufgabe:


„Das macht sie nicht… Oder?!?“ etwas nervös hört man die Stimme…

„Neeein, das macht sie nicht.“ tönt es beruhigend zurück.

„Das macht sie NICHT!!!“ etwas lauter.

„Nein, nein, natürlich nicht, das würde sie nie tun…“ wieder beruhigend…

„Lasst mich mal durch, ich kann gar nichts sehen… Ach, schau, die Anja habe ich ja lange nicht gesehen. Gut sieht sie aus, so fröhlich.“

„Aber, aber, aber….. Guck doch!“ schrillt es alarmiert.

„Hör mal, sie weiß doch, wie wichtig… Aaaaaaaah!!!“

RATSCH!!!

„Um Himmels Willen, schau dir das an!“

„Es ist zum Heulen!“

„Das darf doch nicht wahr sein.“

„Ich fasse es nicht!“

Mit Tränen in der Stimme stammelt jemand: „Sie hat es einfach so… Zerrissen?!?“

Die Stimmen überschlagen sich beinahe vor Entsetzen und es herrscht große Unruhe und Geraschel.
Wo? Na, im Kleiderschrank!
Oh, das schöne blaue Dreieckstuch hatte ich ganz vergessen?! Muss ich unbedingt mal wieder tragen.

„Ja. Hat sie.“

Pullover, Blusen, Hosen, Kleider, Blazer, und was sich da sonst noch so tummelt, quatscht wild durcheinander… Falls jemand überlegt: Schlüpper und Socken können nichts sehen, die sind in der Kommodenschublade.

Der dunkelblaue Blazer rümpft empört die Nase: „Also, das hätte ich nicht von ihr gedacht!“

„Oh mann, was hat denn das arme Hemd getan, dass sie es so malträtiert?!“

„Schaut mal, jetzt nimmt sie das Teil und wickelt es um ein hellblaues Buch. Was soll das denn?“

„Ui, jetzt kommt noch ein Band drumherum – und oooh, eine Schleife. Das gefällt mir aber gut.“

„Spinnst du?! Wie kann dir sowas gefallen?! Sie hat das Hemd zerrissen! Zer-ris-sen!!!“

„Also ich möchte auch so eine schöne Schleife…“

„Ich glaube, es hackt.“

„Nein, guck doch mal, wie liebevoll sie das macht. Mit mir schimpft sie immer, wenn der Knopf nicht zu geht.“

„Ich finde das auch hübsch, was sie da gemacht hat. Das olle Hemd hatte doch wirklich keinen Pfiff, hing total langweilig herum. Nun ist es echt aufgewertet. Ich weiß allerdings nicht, womit es das verdient hat. Ts…“

„Pssst, es kann dich doch hören.“

„Na und?!“

…und wie es das hören kann: Das Stück Totenhemd strahlt und lacht unter seiner Schleife und zwinkert den übrig gebliebenen Kleiderstücken zu:
„Tschüss, ich gehe jetzt auf Reisen. Ich fühle mich großartig, ist das aufregend!!!“

Mögliche Totenhemden im Kleiderschrank, Trauer in unterschiedlichsten Facetten

Und ich so?

Ach, das war eine gute Idee! Die Bücher sind nun gut geschützt und hübsch sieht es auch noch aus. So können sie sicher verschickt werden, da freue ich mich.
Es ist doch aufwändiger als ich dachte, immer passendes Verpackungsmaterial parat zu haben, um Buchbestellungen zu bearbeiten – aber so ist es doch eine tolle Lösung.

Dieses Schlabberhemd ziehe ich ja doch nicht an, wenn es soweit ist. Das passt gar nicht mehr zu mir – und mal ehrlich: im Fall der Fälle, dass man doch „danach“ noch was spüren sollte, friere ich mir ja den Hintern ab. Nein. Ich halte fest, dass man mir anzieht, was ich zu der Zeit meines Todes am liebsten getragen habe – dazu muss ich meine Abschiedsverfügung natürlich regelmäßig anpassen… Und falls mich dann doch jemand in ein unbequemes Dingsbumms zwängt, erscheine ich als Geist und räche mich!


HEUTE ist erneut ein ganz besonderer Tag:
Andreas starb vor nun 8 Jahren (whaaat?!) und ich feiere ihn hier und heute mit diesem Beitrag, den ich ihm zu Ehren schreibe.
Auf DICH! Da oben oder wo auch immer du gerade bist:


Es ist so schön, dich in meinem Leben gehabt zu haben – und irgendwie weiterhin zu haben… PROST!


Fußnote: Ja, ich verschicke meine Bücherbestellungen eigenhändig mit viel Liebe und schaue auch, dass ich sie gut verpacke – sie werden jedoch nicht in Totenhemdfetzen gewickelt – das entsprang hier meiner Phantasie ;0)
Wenn du noch kein Buch von mir hast und gerne eines hättest, melde dich gerne direkt bei mir – die Zusammenarbeit mit dem Verlag endet in Kürze, daher bearbeite ich Bestellungen höchstpersönlich, jawohl! Kurze Mail an untroestlich.blog(at)gmx.de

Länger als…

Länger als…

Wann ist denn das passiert?! Fragend schaue ich mich um.
Nunja, ganz so überraschend war das ja nicht – aber nun überrollen mich doch Gefühle und Gedanken.

Du bist nun länger fort als wir gemeinsame Zeit hatten.

Zack. Das muss man erstmal sacken lassen, oder? Mich hat der Gedanke daran immer beschäftigt und irgendwie war es dennoch nie wirklich greifbar.
Ist es das denn jetzt?
Hm… Nein.
Seltsam abstrakt umwabert mich dieses Gefühl des Vermissens…

Ich vermisse dein „huhu“ beim Heimkommen.
Ich vermisse deinen Geruch – und manchmal weht mir dein Parfum auf der Straße in die Nase uns lässt mich lächeln…
Ich vermisse deine Umarmungen – niemand kann so umarmen, wie du es tatest.
Ich vermisse die Frau, die ich hätte sein können – mit dir an meiner Seite.
Ich vermisse ein gemeinsames Leben, das sich so scheinbar unendlich vor uns ausbreitete.

Und doch: ich habe so viel… Und es ist auch schön, dieses Vermissen.
Klingt seltsam? Vielleicht… Mir zeigt es aber sehr deutlich, was ich schon in meinem Leben an Schätzen gesammelt habe – die mir niemand niemals nehmen kann.

Ja, es tut tatsächlich gut, sich diesem Gefühl des Vermissens hinzugeben, einzutauchen…
Es ist anstrengend und traurig und gleichzeitig unfassbar wertvoll.

Herz auf dem Findling am Grab im Ruheforst…

Dieses Herz, das eine Laune der Natur auf den Findling im Ruheforst bei Andreas‘ Grab hinterlassen hat – wie oft habe ich alleine oder gemeinsam mit dem Sohnemann hier gestanden und die Konturen nachgemalt.
Anfangs konnte man auch noch unsere Initialen erahnen. 2 mal ein „A“ und ein Buchstabe für den Sohn… Wir gehörten ja zusammen, das war unverkennbar. Die Buchstaben verschwanden recht schnell unter Moosfasern und Gestrüpp – das Herz blieb erkennbar.
Mittlerweile ist es verschwunden, die Oberfläche des Steins hat sich verändert, hat sich gewandelt. Stück für Stück…
Wie so vieles in meinem Leben.

Dankbar

Dafür bin ich dankbar. Für die gemeinsame Zeit und auch umso mehr für die Zeit, die ich ohne Andreas weitergegangen bin.
In diesen Tagen kommen erinnerungstagbedingt viele Erinnerungen an die gemeinsame Zeit hoch – und ich schaue sie mir mal mehr mal weniger aufmerksam an.

Überraschungen gehören auch in diese Zeit: ein Schreiben vom Erzbistum Hamburg, das jahreszeitlich angemessen auf Allerseelen Bezug nahm, wehte auf meinen Schreibtisch mit einem „mich haben die Worte bewegt, auch für Dich…“.
Humpf, Kirche, na toll. Pff… Na gut, ich lese es…
Ah…
Oh…
Na, das hat er aber wirklich einfühlsam formuliert.
Schön…
Huch? Ich finde das gut, was „einer aus der Kirche“ schreibt? Ja, denn er hat sehr schöne Worte gefunden, bodenständig, unaufgeregt… Ein Satz trifft mich dabei besonders ins Herz:

Es tut gut, der Erinnerung Raum zu geben.

(aus einem Brief des Erzbischofs Dr. Stefan Heße)

Beim Durchtauchen dieser Erinnerungen sammle ich Gefühle wie Blumen und Gräser… Hier ein Lächeln, da ein schmerzerfülltes Weinen, dort ein wohliger Schauer, ein Seufzer, wieder Tränen,…
Also, wenn ich hier fertig bin, habe ich einen riesigen Strauß beisammen. Den werde ich in eine Vase stellen – ans Fenster ins Licht, damit er leuchten kann. Siehst du ihn?

Smile, though your heart is aching…

Was bleibt?

…ich kann es noch immer nicht aushalten, wenn eine ungerade Anzahl Kerzen brennt ;0)

Was wäre, wenn ich zuerst sterbe…?

Was wäre, wenn ich zuerst sterbe…?

Piiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeep………

Ja, so macht es vielleicht, wenn ich sterbe… Vorausgesetzt, ich liege dabei in einem Krankenhaus und bin an eine Maschine angeschlossen… Na, vielleicht (hoffentlich!) macht es nicht so, wenn ich sterbe – denn eigentlich möchte ich das irgendwann irgendwo in Frieden tun.
Nundenn, aber irgendeinen Einstieg brauchte es ja für diesen Beitrag – denn ich schreibe erneut für eine November-Blog-Aktion des Totenhemd-Blogs und Petra rief auf zu Beiträgen zum Thema „Was wäre, wenn ich zuerst sterbe“ und dabei – ich zitiere: „Mit Humor und dem Schalk im Nacken“.

Alles, was mir zuerst in den Kopf kam, waren recht trübselige Gedanken… Gibt es doch Menschen in meinem Leben, von denen ich mich bald verabschieden muss – ob ich denn will oder nicht – und egal wie lustig ich es mir vorstelle, mich beim Sterben vorzudrängeln (haaalt!!! Ich zuerst!!! Schubs…), es kam doch immer wieder eine groooße Portion Traurigkeit hinzu…

So habe ich mir bei einem Spaziergang durch den Ruheforst Inspiration von meinen Lieblings-Aliens geholt. Menschen, von denen ich weiß, dass sie angesichts des Todes immer noch etwas zu Lachen finden können, wenn man sie lässt. Tausend Dank an Christine, Petra und Stefan!!! Ihr habt es geschafft, dass ich mich sehr beherrschen musste, im Ruheforst Ruhe zu bewahren und nicht lauthals zu lachen – ist ja schließlich kein Lachforst.
Hätte ich das mal früher getan, dann wäre ich sicher auf die großartige Idee gekommen, Interviews zu führen… In solchen Gesprächen kommen nämlich unfassbar bunte Antworten, die es sich lohnen würde, zu sammeln…
Schade, das Zeitfenster war nun etwas zu klein geraten, um das umzusetzen.

Tja, wie mag es denn nun sein, wenn ich zuerst sterbe?!? Hm, was bedeutet eigentlich dieses „zuerst“? Das bedeutet ja, dass irgendwer später stirbt als ich. Auf jeden Fall muss jemand übrig bleiben, der hier sicherstellt, dass ich mit Bömmeln im Sarg liege und sie mir nicht irgendwer mit einem „das macht man doch nicht!“ vom Kopf zupft, bevor der Sargdeckel geschlossen wird.


Wenn das nun tatsächlich frühestens in 50 Jahren geschieht – so ist es ausgemacht – gibt es so einiges einzupacken, fürchte ich. Vermutlich werde ich es nicht schaffen, so minimalistisch zu leben, wie ich es eigentlich tun könnte… Ich habe also sehr wahrscheinlich ganz schön viel Zeugs angesammelt, von dem ich mich nicht trennen mag. Und damit sich nach meinem Ableben niemand damit herumschlagen muss, könnte man das doch einfach mit in den Sarg packen, oder?!?

Heute habe ich gelernt, dass es XXL-Särge gibt. Es wird also zumindest ausreichend Platz für meine Teelicht-Sammlung geben. Die kann dann mit.
Ich habe nämlich – oh Schreck! – beim Umzug feststellen müssen, dass ich teelichtkaufsüchtig bin. In unterschiedlichsten Schubladen habe ich wie ein Teelicht-Eichhörnchen (ist das dann ein Tee-Hörnchen?!?) solche Lichter gehortet. Auf einen Stapel geworfen sieht es so aus, als könnte ich damit bis mindestens in 50 Jahre auskommen. Wenn dann noch welche übrig sind (bestimmt!), kommen die mit in den Sarg. DAS wird ein Fest im Krematorium!!! Vielleicht nehme ich noch ein paar Wunderkerzen mit, die brennen immer so schwer an – mit dem Feuer und dem Kerzenlicht sollte das aber kein Problem mehr sein…

Ich liege also mit Bömmeln auf dem Kopf bei Kerzenschein und Wunderkerzenbritzelfeuerwerk und harre der Dinge, die da kommen mögen…

Und dann?!?

Ich stelle es mir schön vor „da drüben“, ruhig und lustig… Jede und jeder darf sein, wie er sein mag und niemand stört sich am jeweils anderen. So konfliktfrei könnte es langweilig werden, meinst du? Nein, nein…

Ich kann da ja auf einer Wolke mit der „Bömmel-Inspiratorin“ sitzen und Kirschen essen – vielleicht fällt dir die ein oder andere Kirsche vom Weitwurf auf den Kopf, dann weißt du, wer das war.
Solange der Liegestuhl noch frei ist, würde ich mich zu ihr setzen und plaudern. Wie war es, wie ist es und wie wird es dort sein?!?
Das stelle ich mir sehr wiedersehensfreudig und unterhaltsam vor.

Ach, guck… Wer kommt denn da? Oma! Ganz entspannt und jung wirkend… Sie setzt sich dazu und erzählt endlich einmal die Geschichten aus ihrem Leben, auf die ich so neugierig war, nach denen ich mich aber nie getraut habe zu fragen… Mein Opa schaut auch vorbei und erzählt diese Geschichten aus seiner Sicht. Er ist ja schon eine ganze Weile länger hier, da dürfen die Geschichten auch voneinander abweichen – das erinnert schließlich niemand mehr so ganz genau.

Ui, da ist ja auch… Und du… Und……. Wow, so viele schöne Begegnungen, Umarmungen, Geschichten – wenn ich mir das so vorstelle, werde ich direkt ganz sehnsüchtig.

Ich nehme mir eine kurze Auszeit und blicke mal zurück: was passiert denn „da, wo ich herkomme“? Ich wische ein paar Tränen fort, werfe Federn und Blätter in Herzform und male mit den Wolken, um zu zeigen, wie gut es mir geht…

Aber da… In Frankreich am Meer… Was ist da denn los? Dort sitzen drei ulkige Gestalten. Die haben tatsächlich Bömmel auf dem Kopf, die lustig wackeln. Nein, halt, einer davon hat sie um die Hüfte – na, das sieht ja witzig aus. Zehn Gläser Wein sind schon geleert, das erklärt so einiges… Vor ihnen im Sand steht etwas geschrieben… Ich muss einmal näher ran, um das zu lesen… Ach… Das ist ja ein Ding. Aus Kieseln haben sie eine Botschaft gelegt. Dort lese ich

MOIN

Ich bin ganz gerührt… Was passiert denn nun? Die eine holt ein großes Gefäß heraus. Ist das eine Tupperdose? Einmal geöffnet, kommt eine große Staubwolke aus ihr und entschwindet mit dem Wind aufs Meer… Die drei greifen noch hinein, holen das restliche Pulver heraus und werfen es mit einem „Tschüss“ in die Luft. (*)
Ich kann nicht anders und puste aus der Gegenrichtung den Dreien ins Gesicht. Nun lache ich mich scheckig über die drei grauen Gesichter, in denen ich nur noch die Augen erkennen kann.
Danke, ihr Lieben! Bis ganz bald!

Lachend kehre ich zurück auf meine Wolke, setze mich und baumle mit den Beinen. Da fällt mir ein: HEUTE ist doch ein ganz besonderer Tag! Der 17.11. war und ist ja nicht nur der Sterbetag von Andreas – nein, an dem Datum hat auch jemand Geburtstag!

Ich flitze also noch einmal los, schiebe und drücke Wolken in Position, hauche hier einen Schatten hin und puste dort eine Lücke frei… Dann ist es vollbracht. Am blauen Himmel steht nun:

Herzlichen Glückwünsch, liebe Sarah!!!

Jaja, ich weiß, da habe ich ü-Tüdelchen zu viel, die habe ich vergessen, wegzupusten. Macht nix. Ich hoffe, du hast einen zauberhaften Geburtstag und lässt dich feiern!
Ich bin gespannt, wann wir endlich die gemeinsame Ballonfahrt gestartet haben werden oder ob wir doch nur gemeinsam ein Fischbrötchen am Niendorfer Hafen verputzt haben werden können sein (in 50 Jahren weiß ich das hoffentlich und verstricke mich nicht in grammatikalischen Zeit-Absurditäten)

Hach, was für eine Freude… Sterben? Kann ich. Gar nicht so schlimm – im Gegenteil.

Mir klingt ein „Huhu!“ im Ohr. Nanu, das kenne ich doch?!? Heyyyyy… Da bist du ja! 7 Jahre bist du nun schon nicht mehr hier… Aber ich weiß noch ganz genau, wie phantastisch sich deine Umarmungen anfühlen. Seufz… Wie wunderprächtig wäre es, mir heute eine solche abzuholen… Unfassbar lang her und gleichzeitig „wie gestern“: Erinnerungstage sind schon etwas ganz besonderes. Im kommenden Jahr wirst du länger tot sein als wir uns überhaupt kannten. Dieser Zeitpunkt erschien mir vor noch nicht allzu langer Zeit sehr seltsam, unwirklich – nun ist er so nah. Gleichzeitig fühlt es sich nun unwichtig an. Die Zeit mit dir war wertvoll, die Zeit ohne dich auch. Alles hat seine Berechtigung.

Nun, mit dieser etwas ver-rückten Geschichte habe ich mich durch die Zeiten gebeamt, Erinnerungen geweckt und Gefühle aktiviert. Wie du siehst, ist der letzte Beitrag hier im Blog bereits 1 Jahr alt – meine Trauer ist still geworden und braucht keine großen Worte mehr. Nichtsdestotrotz ist sie nicht weg, nur ruhig.

Ein Stück untröstlich und ein Teil von mir.

Danke, liebe Petra, für diese Blog-Aktion, die mir so viel Freude bereitet hat. Ich freue mich auf Zypern irgendwann!

(*) Wenn man so richtig viel in den Sarg packt, bleibt vermutlich mehr Asche übrig, als in eine Urne passt. Hier eine Phantasie, was man mit der überschüssigen Asche veranstalten könnte ;0)

Lieblingsessen…

Lieblingsessen…

Ich grüble seit dem Wachwerden: Was war dein Lieblingsessen?!
…es will mir nicht einfallen… Erst hat mich das ganz traurig gemacht. Wieso weiß ich das nicht mehr? Weshalb finde ich keine Erinnerung dazu? Vergesse ich?

Fakt ist: ich könnte es dir heute nicht kochen, weil es mir nicht einfallen will… Fakt ist auch: das macht nichts, denn du bist nicht hier…

Das 6. Mal schon…

Der sechste Geburtstag, den du nicht mehr mit uns gemeinsam feierst… 54 Jahre könnten wir heute feiern – wenndenndann…
Nein, heute gibt es keine Party, kein Erinnerungsfeiern. Mir ist nicht danach.
Aber ich fühle mich dir heute ganz besonders verbunden, bin in Gedanken bei dir.

„Du bist ein Geschenk…“

Was für eine tolle Wertschätzung, wenn man so etwas gesagt bekommt, oder? Ich fühle mich reich beschenkt, dass ich Menschen in meinem Leben habe, die solche Sätze zu mir sagen und denen ich solche Sätze sagen mag.
…tja, und diese Menschen sind nur in meinem Leben, weil du nicht mehr da bist… Das fühlt sich ein wenig traurig an – aber tatsächlich nur ein wenig…

Denn… eigentlich bist du gar nicht so weg, wie ich das anfangs dachte (am Anfang der Trauerzeit). Es ist tatsächlich eine Verbundenheit geblieben und als Teil von mir, von meinem Leben, gehst du weiter mit mir mit. Jede/r auf der jeweiligen Seite… Zu spirituell? Zu abgedreht? Nein, finde ich nicht. Ich fühle mich frei, weil da diese Verbindung besteht. Ob das andere auch so fühlen, kann mir dabei gleichgültig sein.

Vor ein paar Tagen hast du mich im Traum besucht. Das war voll schön, denn ich hatte gar nicht mit dir gerechnet… Dein Bild war in meinem Alltag gar nicht so recht präsent. So war es schön, kurz mit dir zu reden – allerdings traumgesteuert, ich hatte da keinen direkten Einfluss… Ich glaube, das war ziemlicher Blödsinn, den wir da geredet haben ;0)

Rosenkohlabenteuer…

Nun ist mir auch eingefallen, dass es wohl gar kein Lieblingsgericht gab, das dein absoluter Favorit war. Du warst einfach stets sehr „dankbar“ beim Essen, hattest keine großen Ansprüche. In einem Haushalt groß geworden, in dem das Kochen eher „Glückssache“ war (wie oft habe ich wohl die Augen verdreht, wenn du mal wieder getönt hast, wie lange es angeblich gedauert habe, bis du wusstest, dass Rosenkohl beim Kochen nicht braun werden muss – hahaha…), hatte das Essen keine große Wichtigkeit.

Essen gehen, sich im Restaurant verwöhnen lassen – das hast du geliebt…
In diesen Zeiten ist ein Restaurantbesuch nicht so schön, wie er sein müsste, um dich zu feiern… Wir holen das nach, ja?

Auf dich!

Trauer muss nicht immer traurig aussehen...
…du fehlst!

Alles Liebe zum Geburtstag!!!

Ein Licht…

Ein Licht…

In vielen Zimmern brennen heute nicht nur zwei Kerzen – schließlich ist heute der zweite Advent – eine weitere steht ab 19 Uhr im Fenster und leuchtet in die Welt… Wie jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember gedenken wir der Kinder, die zu früh verstorben sind…

Heute ist wieder Worldwide Candle Lighting Day – auf den habe ich bereits vor zwei Jahren aufmerksam gemacht:

*klick* Ein Licht geht um die Welt…

Ich stelle heute Abend erneut ein Licht ins Fenster… In Gedanken erweitere ich den Gedenktag nämlich immer ein wenig für mich: ist doch schließlich jeder schmerzlich vermisste Verstorbene Kind von jemandem…
Und erneut erfüllt mich Sehnsucht danach, über die Welt zu fliegen und dem Lichtermeer zu folgen…..

Kerzentiere

Gaaanz ganz besonders zauberschöne Grafiken von Melanie Garanin passen ganz wunderbar zu diesem Tag! Melanie hat nach dem Tod ihres Sohnes Nils angefangen, diese Kerzentiere zu zeichnen… Mittlerweile gibt es 365 davon – für jeden einzelnen Tag des Jahres eines.

Das Licht ist so wichtig, wenn man in dieser dunklen Traurigkeit ist. Denn man lebt ja und versucht, die Tage wieder hell zu machen.

(Melanie Garanin auf ihrer Website: https://melaniegaranin.com/kerzentiere/)

Ich finde, nicht nur das Kerzenleuchten soll heute um die Welt gehen, sondern auch Melanies Kerzentiere – daher mag ich ihren Blogbeitrag teilen:

*klick* zu Melanies Blog

Ihr findet dort einen Link, über den ihr bis Montag früh (9.12.2019) ihre Kerzentiere anschauen und auch herunterladen dürft. Ein zauberhaftes Geschenk von ihr, oder? Bitte beachtet vor dem Download die Regeln, die sie zur Verwendung vorgibt!

Ich konnte mich kaum entscheiden, welches mir am besten gefällt… Aber der Lemur rührt mein Herz am meisten:

Nummer 312: der Lemur
Kerzentiere von (c) Melanie Garanin – ein Ausdruck ihrer tiefen Trauer um Sohn Nils

Was für eine tolle Ausdrucksform für Trauer – traurig, (irr)witzig, rührend, wütend, lustig, verzweifelt… Wie viele Facetten hat die Trauer wohl… Unzählige, oder?

Leuchtet auch bei dir heute ein Licht? Wen vermisst du…?

Bild von Hans Braxmeier auf Pixabay

PS: diesen Blogbeitrag kann man ganz vielleicht als Werbung verstehen – die erfolgt aber unbeauftragt und unbezahlt aus Überzeugung ;0)

Fünf…

Fünf…

Mein Kalender sagt, es sei heute 5 Jahre her… Im Bootcamp habe ich irgendwie das Gefühl für Zeit vergessen – doch selbst wenn nicht: könnte ich wirklich begreifen, dass du vor 5 Jahren gestorben bist?! Ist das ein „schon so lange“ oder eher ein „erst“? Da ist wieder dieses „Gummiband“-Gefühl. Aber egal, ob das Gummiband bis kurz vor dem Zerreißen gespannt ist oder einfach locker herumwackelt… Du fehlst! Hier und heute. Schmerzhaft…

Jedoch: Es hat sich tatsächlich gewandelt… Wandeln dürfen… Dieses Vermissen-Gefühl.
Anfangs war da dieser unbändige, atemraubende Schmerz. Ein körperliches Reißen, eine alles mit sich reißende Trauerwelle… So stark und überwältigend, dass ich dachte, das könne nie vorüber gehen.
Auch heute läuft mir eine Träne (mindestens… naja, nee, eher mehrere…), während ich schreibe. Dein Tod lässt mich weiterhin fassungslos innehalten. Aber die Trauer ist heute ein wärmender Mantel, in den ich mich kuscheln kann. Ja, es tut weh, dass du nicht mehr lebst… Aber der Schmerz hat sich in ein Sehnen verwandelt. Sehnsucht nach dem, was war. Nach dir und dem, was du für mich warst…

„Mitten aus dem Leben gerissen“

Das passt nicht nur zu deinem Leben, das viel zu früh endete. Nein, es passt auch zu meinem Leben. Ich war 41 und fühlte mich angekommen bei dir und mit dir. Eigentlich dachte ich, unser gemeinsames Leben wäre mein Ruhepol – Abenteuer und Action und Drama findet um uns herum statt, aber es gibt immer diesen Menschen, in dessen Armen ich mich geborgen fühlen darf. Mein Fels in der Brandung… Beinahe von jetzt auf gleich fliegt mir mein Leben um die Ohren… Der Fels: explodiert… Auch ich: mitten aus dem Leben gerissen.

Solch ein Fels in der Brandung wie du für mich gewesen bist – so einer liegt nun als Markierung an deinem Grab im Ruheforst. Aus dem Bauch heraus habe ich damals entschieden, dass dieser große Findling besser passt als ein Baum. Die Parallele dazu ist mir aber erst heute aufgegangen…

Stellvertretend für dich strahlt er auf mich eine wohltuende Ruhe aus. Ein paar Blütenblätter habe ich dir heute mitgebracht… Eine Kerze brennt im Windlicht (das kommt natürlich wieder mit heim)… Gedanken, Sehnsucht und Erinnerungen wehen durch die restlichen Blätter an den Bäumen… Mein Bild von dir ist sehr präsent – dachte ich jedenfalls…

Erinnerungen…

Als ich neulich in der Küche eine Kiwi löffelte, hat sich meine Mutter sehr über mein „die-Kiwi-ist-verflixt-sauer“-Gesicht amüsiert. „Die hätte Andreas mal essen sollen. Was meinst du, wie er geschaut hätte?! Er mochte doch nichts Saures.“

Ich war total überrascht und auch ein wenig erschreckt, dass ich das nicht mehr weiß… Ich kann mich nicht daran erinnern… Vergesse ich nun doch immer mehr von dir? Verschwindest du nach und nach aus meiner Erinnerung?!
Aber dann geht mir auf: nein, ich habe lediglich andere Erinnerungen mit dem „wertvoll“-Stempel markiert und abgespeichert. Nun freue ich mich, dass mir diese zusätzlichen Erinnerungen quasi geschenkt werden… Und ich erkenne auch: du warst für jeden Menschen, der dir begegnet ist, ein wenig anders… Jede Begegnung war voller Facetten deiner Persönlichkeit – spannend, dass jede und jeder so ein anderes Bild von dir gewonnen hat.

Mein Bild von dir ist fest in meinem Herzen…

An der Steilküste mit Blick aufs Meer ist es, als wehe der Wind eine Erinnerung von dir herüber… Oder bist das du? Ich lehne mich an dich und schicke dir meine Gedanken:

„Schau mal… Schön hier!“

Silberwasser, Buchenlaub und Muscheln,… Ruhe im Innern… RuheForst am 17.11.2019 (pic: Anja Pawlowski)