„Hast du schon gehört, dass…“
Nein, hatte ich nicht, die Nachricht hat mir für einen klitzekleinen Moment den Boden unter den Füßen weggezogen. Meine weltallerbeste Trauerbegleiterin Gisela verstorben? Wie kann das sein, was ist passiert, ein großes
Warum?
steht in meinem Kopf… Mein Herz hingegen versteht sofort, es weint…
Meine Augen weinen nicht, ich bin einigermaßen fassungslos. Ich sitze im Bus, ein Koffer neben mir. Ich bin auf dem Weg zu einem schönen Wochenende mit lieben Menschen, auf das ich mich lange gefreut habe.
Eben noch lachend und voller Vorfreude, dann „badabumm“ irgendwie aus der Bahn geworfen…
…und doch: weiterhin voller Vorfreude, denn ich weiß, dass ich auf meiner Reise mit Menschen zusammen bin, bei denen ich mit allen Emotionen willkommen bin.
Eine Erinnerung besucht mich:
Gisela ist bei mir zu Hause zu Besuch. Sie war auf einem Fortbildungswochenende irgendwo in der Nähe von Lübeck und so war der Weg nicht allzu weit: „Ich komme vorbei!“
Wir unterhalten uns, es fließen viele Tränen bei mir… Es muss irgendwann im Frühjahr nach Andreas‘ Tod gewesen sein.
Sie animiert mich dazu, eine Übung im Stehen zu machen: Wir stehen gegenüber, halten uns an den Händen und schauen uns an. Meine Aufgabe ist es, laut „NEIN“ zu rufen, sie antwortet ebenso laut „JA!“ Immer im Wechsel, ab und an die „Ja“- und die „Nein“-Rolle tauschend.
Ich weiß noch, dass es mir etwas peinlich war und ich überlegte, ob wohl die Nachbarn gleich klingeln kommen würden?!?
Dann war es egal und ich konnte mich darauf einlassen.
Ich habe keinen Schimmer, weshalb wir diese Übung machten, was der Sinn darin war – das ist im Trauernebel verloren gegangen – doch nach einer Weile konnte ich nicht mehr an mich halten:
Ich habe lauthals gelacht!
Vielleicht war dies der Sinn, vielleicht auch nicht. In jedem Falle hatte ich mein ganz persönliches Highlight erreicht: Ich habe für einen Moment Leichtigkeit verspürt und losgelassen…
Was für ein Geschenk!
Ja, in der Tat: Gisela war mein ganz persönliches Geschenk in der Anfangszeit meiner Trauer. Dafür war und bin ich unendlich dankbar.
Ich hätte es ohne sie durch diese Zeit geschafft, klar. Doch mit ihrer Begleitung war es so viel leichter, so viel bereichernder…
…und vermutlich würde es diesen Blog und mein Buch nicht geben, hätte sie nicht die passenden Impulse gegeben.
DANKE!
Ein kleines Seufzen lässt mich grübeln: Weshalb hatten wir eigentlich keinen Kontakt mehr? Warum wusste ich gar nicht, wie es ihr gerade ging?
Das nennt man wohl Leben… Und es zeigt sehr eindrücklich, wie wunderbar Gisela’s Begleitung war. Sie hat mich durch die erste Trauerzeit begleitet, literweise Tränen und Wutausbrüche und Verzweiflung mit ausgehalten und mir einen/meinen Weg gezeigt, auf dem ich die ersten Schritte gewagt habe. Wie bei einer wackligen Seiltänzerin bei den ersten Versuchen war sie mir Haltestange und Mutmacherin zugleich…
…schließlich hat sie mir meinen weiteren Weg zugetraut, zugeMUTet.
Genauso war es richtig für mich. Ich wusste, ich könnte mich jederzeit bei ihr melden – brauchte es aber gar nicht mehr.
Diese wunderbare Frau
Mit diesem riesengroßen Herzen hätte sie eigentlich noch viele, viele Jahre in dieser Welt wirken dürfen, finde ich. Menschen wie Gisela machen unsere Gesellschaft ein Stück besser, ein Riesenstück reicher… Hat die Zeit gereicht? Sicher nicht. Ich hätte ihr von Herzen gegönnt, noch Jahre, ach was: Jahrzehnte mit ihrem Kai verbringen zu dürfen, das Leben zu genießen und mit vollen Händen und Herzen einzusammeln, was sie in ihrem Leben „gesät“ hat.
Vielleicht dürfen wir das nun tun: Das, was Gisela bewirkt hat, weiter in die Welt tragen.
Mit offenem Herzen und klugem Blick wahrnehmen, wo es Hilfe braucht, wer Unterstützung benötigt, wann wir jemandem beistehen sollten?! Das ist leicht.
Schwer ist es sicher, dass wir das nun ohne sie tun müssen. Schmerzlich schwer…..
Sie hat ihre Liebe verschenkt, Wissen vermittelt, Menschen berührt, Impulse gegeben, Vieles bewegt.
Und nun? Nun mutet sie uns ähnlich wie mir am Ende unserer Begleitungszeit zu, dass wir ohne sie weitergehen können. Schritt für Schritt in unserem jeweils eigenen Tempo.
Was bleibt?
Gisela hat für immer einen Platz in meinem Herzen: Dankbarkeit, Respekt und Verbundenheit kann mir niemand mehr nehmen.
Was auch bleibt, ist ein wunderVOLLes Vorwort in meinem Buch, das für immer an sie erinnern wird.
Und dann gibt es noch diesen Satz, den sie mir geschenkt hat:
„Ich mag diese Frau! Sie ist soooo toll. Sie kämpft und liebt und leidet – da darf man auch ein paar Spuren sehen.“
Mehr dazu kannst du im Blogbeitrag „Spieglein, Spieglein“ nachlesen.
Danke, liebe Gisela! Für dein Wirken, für deine Liebe, für dein Haltgeben, als ich es so sehr brauchte!

Update 2.11.2024
Heute ist deine Abschiedsfeier in Bremen… Ich bin in Gedanken dabei und stelle mir vor, dass es sehr voll sein wird. Du hast so viele Menschen berührt, begleitet, inspiriert und bewegt…
Hier in Lübeck scheint die Sonne vom blauen Himmel und der Blick nach oben ist frei. Das tut gut und nimmt diesem Abschiedstag ein wenig die Schwere… Denn schwer bleibt es. Mit 66 Jahren fängt das Leben doch erst an…?
Eben in der Küche fiel meine „Freundschaft“-Karte zu Boden. Ich nehme das mal als Zeichen und liebevolle Erinnerung: Es gibt so Vieles, das bleibt.
…und das kann uns keiner nehmen!
Gute Reise, liebe Gisela!!! Du fehlst!!!

















