Was wäre, wenn ich zuerst sterbe…?

Was wäre, wenn ich zuerst sterbe…?

Piiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeep………

Ja, so macht es vielleicht, wenn ich sterbe… Vorausgesetzt, ich liege dabei in einem Krankenhaus und bin an eine Maschine angeschlossen… Na, vielleicht (hoffentlich!) macht es nicht so, wenn ich sterbe – denn eigentlich möchte ich das irgendwann irgendwo in Frieden tun.
Nundenn, aber irgendeinen Einstieg brauchte es ja für diesen Beitrag – denn ich schreibe erneut für eine November-Blog-Aktion des Totenhemd-Blogs und Petra rief auf zu Beiträgen zum Thema „Was wäre, wenn ich zuerst sterbe“ und dabei – ich zitiere: „Mit Humor und dem Schalk im Nacken“.

Alles, was mir zuerst in den Kopf kam, waren recht trübselige Gedanken… Gibt es doch Menschen in meinem Leben, von denen ich mich bald verabschieden muss – ob ich denn will oder nicht – und egal wie lustig ich es mir vorstelle, mich beim Sterben vorzudrängeln (haaalt!!! Ich zuerst!!! Schubs…), es kam doch immer wieder eine groooße Portion Traurigkeit hinzu…

So habe ich mir bei einem Spaziergang durch den Ruheforst Inspiration von meinen Lieblings-Aliens geholt. Menschen, von denen ich weiß, dass sie angesichts des Todes immer noch etwas zu Lachen finden können, wenn man sie lässt. Tausend Dank an Christine, Petra und Stefan!!! Ihr habt es geschafft, dass ich mich sehr beherrschen musste, im Ruheforst Ruhe zu bewahren und nicht lauthals zu lachen – ist ja schließlich kein Lachforst.
Hätte ich das mal früher getan, dann wäre ich sicher auf die großartige Idee gekommen, Interviews zu führen… In solchen Gesprächen kommen nämlich unfassbar bunte Antworten, die es sich lohnen würde, zu sammeln…
Schade, das Zeitfenster war nun etwas zu klein geraten, um das umzusetzen.

Tja, wie mag es denn nun sein, wenn ich zuerst sterbe?!? Hm, was bedeutet eigentlich dieses „zuerst“? Das bedeutet ja, dass irgendwer später stirbt als ich. Auf jeden Fall muss jemand übrig bleiben, der hier sicherstellt, dass ich mit Bömmeln im Sarg liege und sie mir nicht irgendwer mit einem „das macht man doch nicht!“ vom Kopf zupft, bevor der Sargdeckel geschlossen wird.


Wenn das nun tatsächlich frühestens in 50 Jahren geschieht – so ist es ausgemacht – gibt es so einiges einzupacken, fürchte ich. Vermutlich werde ich es nicht schaffen, so minimalistisch zu leben, wie ich es eigentlich tun könnte… Ich habe also sehr wahrscheinlich ganz schön viel Zeugs angesammelt, von dem ich mich nicht trennen mag. Und damit sich nach meinem Ableben niemand damit herumschlagen muss, könnte man das doch einfach mit in den Sarg packen, oder?!?

Heute habe ich gelernt, dass es XXL-Särge gibt. Es wird also zumindest ausreichend Platz für meine Teelicht-Sammlung geben. Die kann dann mit.
Ich habe nämlich – oh Schreck! – beim Umzug feststellen müssen, dass ich teelichtkaufsüchtig bin. In unterschiedlichsten Schubladen habe ich wie ein Teelicht-Eichhörnchen (ist das dann ein Tee-Hörnchen?!?) solche Lichter gehortet. Auf einen Stapel geworfen sieht es so aus, als könnte ich damit bis mindestens in 50 Jahre auskommen. Wenn dann noch welche übrig sind (bestimmt!), kommen die mit in den Sarg. DAS wird ein Fest im Krematorium!!! Vielleicht nehme ich noch ein paar Wunderkerzen mit, die brennen immer so schwer an – mit dem Feuer und dem Kerzenlicht sollte das aber kein Problem mehr sein…

Ich liege also mit Bömmeln auf dem Kopf bei Kerzenschein und Wunderkerzenbritzelfeuerwerk und harre der Dinge, die da kommen mögen…

Und dann?!?

Ich stelle es mir schön vor „da drüben“, ruhig und lustig… Jede und jeder darf sein, wie er sein mag und niemand stört sich am jeweils anderen. So konfliktfrei könnte es langweilig werden, meinst du? Nein, nein…

Ich kann da ja auf einer Wolke mit der „Bömmel-Inspiratorin“ sitzen und Kirschen essen – vielleicht fällt dir die ein oder andere Kirsche vom Weitwurf auf den Kopf, dann weißt du, wer das war.
Solange der Liegestuhl noch frei ist, würde ich mich zu ihr setzen und plaudern. Wie war es, wie ist es und wie wird es dort sein?!?
Das stelle ich mir sehr wiedersehensfreudig und unterhaltsam vor.

Ach, guck… Wer kommt denn da? Oma! Ganz entspannt und jung wirkend… Sie setzt sich dazu und erzählt endlich einmal die Geschichten aus ihrem Leben, auf die ich so neugierig war, nach denen ich mich aber nie getraut habe zu fragen… Mein Opa schaut auch vorbei und erzählt diese Geschichten aus seiner Sicht. Er ist ja schon eine ganze Weile länger hier, da dürfen die Geschichten auch voneinander abweichen – das erinnert schließlich niemand mehr so ganz genau.

Ui, da ist ja auch… Und du… Und……. Wow, so viele schöne Begegnungen, Umarmungen, Geschichten – wenn ich mir das so vorstelle, werde ich direkt ganz sehnsüchtig.

Ich nehme mir eine kurze Auszeit und blicke mal zurück: was passiert denn „da, wo ich herkomme“? Ich wische ein paar Tränen fort, werfe Federn und Blätter in Herzform und male mit den Wolken, um zu zeigen, wie gut es mir geht…

Aber da… In Frankreich am Meer… Was ist da denn los? Dort sitzen drei ulkige Gestalten. Die haben tatsächlich Bömmel auf dem Kopf, die lustig wackeln. Nein, halt, einer davon hat sie um die Hüfte – na, das sieht ja witzig aus. Zehn Gläser Wein sind schon geleert, das erklärt so einiges… Vor ihnen im Sand steht etwas geschrieben… Ich muss einmal näher ran, um das zu lesen… Ach… Das ist ja ein Ding. Aus Kieseln haben sie eine Botschaft gelegt. Dort lese ich

MOIN

Ich bin ganz gerührt… Was passiert denn nun? Die eine holt ein großes Gefäß heraus. Ist das eine Tupperdose? Einmal geöffnet, kommt eine große Staubwolke aus ihr und entschwindet mit dem Wind aufs Meer… Die drei greifen noch hinein, holen das restliche Pulver heraus und werfen es mit einem „Tschüss“ in die Luft. (*)
Ich kann nicht anders und puste aus der Gegenrichtung den Dreien ins Gesicht. Nun lache ich mich scheckig über die drei grauen Gesichter, in denen ich nur noch die Augen erkennen kann.
Danke, ihr Lieben! Bis ganz bald!

Lachend kehre ich zurück auf meine Wolke, setze mich und baumle mit den Beinen. Da fällt mir ein: HEUTE ist doch ein ganz besonderer Tag! Der 17.11. war und ist ja nicht nur der Sterbetag von Andreas – nein, an dem Datum hat auch jemand Geburtstag!

Ich flitze also noch einmal los, schiebe und drücke Wolken in Position, hauche hier einen Schatten hin und puste dort eine Lücke frei… Dann ist es vollbracht. Am blauen Himmel steht nun:

Herzlichen Glückwünsch, liebe Sarah!!!

Jaja, ich weiß, da habe ich ü-Tüdelchen zu viel, die habe ich vergessen, wegzupusten. Macht nix. Ich hoffe, du hast einen zauberhaften Geburtstag und lässt dich feiern!
Ich bin gespannt, wann wir endlich die gemeinsame Ballonfahrt gestartet haben werden oder ob wir doch nur gemeinsam ein Fischbrötchen am Niendorfer Hafen verputzt haben werden können sein (in 50 Jahren weiß ich das hoffentlich und verstricke mich nicht in grammatikalischen Zeit-Absurditäten)

Hach, was für eine Freude… Sterben? Kann ich. Gar nicht so schlimm – im Gegenteil.

Mir klingt ein „Huhu!“ im Ohr. Nanu, das kenne ich doch?!? Heyyyyy… Da bist du ja! 7 Jahre bist du nun schon nicht mehr hier… Aber ich weiß noch ganz genau, wie phantastisch sich deine Umarmungen anfühlen. Seufz… Wie wunderprächtig wäre es, mir heute eine solche abzuholen… Unfassbar lang her und gleichzeitig „wie gestern“: Erinnerungstage sind schon etwas ganz besonderes. Im kommenden Jahr wirst du länger tot sein als wir uns überhaupt kannten. Dieser Zeitpunkt erschien mir vor noch nicht allzu langer Zeit sehr seltsam, unwirklich – nun ist er so nah. Gleichzeitig fühlt es sich nun unwichtig an. Die Zeit mit dir war wertvoll, die Zeit ohne dich auch. Alles hat seine Berechtigung.

Nun, mit dieser etwas ver-rückten Geschichte habe ich mich durch die Zeiten gebeamt, Erinnerungen geweckt und Gefühle aktiviert. Wie du siehst, ist der letzte Beitrag hier im Blog bereits 1 Jahr alt – meine Trauer ist still geworden und braucht keine großen Worte mehr. Nichtsdestotrotz ist sie nicht weg, nur ruhig.

Ein Stück untröstlich und ein Teil von mir.

Danke, liebe Petra, für diese Blog-Aktion, die mir so viel Freude bereitet hat. Ich freue mich auf Zypern irgendwann!

(*) Wenn man so richtig viel in den Sarg packt, bleibt vermutlich mehr Asche übrig, als in eine Urne passt. Hier eine Phantasie, was man mit der überschüssigen Asche veranstalten könnte ;0)

Nicht mit dir und nicht ohne dich…

Nicht mit dir und nicht ohne dich…

Da ist er wieder… Dieser Jahrestag… Vor 6 Jahren hast du dich von dannen gemacht und der Tod war so präsent und schmerzhaft, uff.

Ich bedanke mich von Herzen bei den lieben Damen vom Totenhemd-Blog, die ihre alljährliche November-Blog-Aktion trotz oder gerade wegen C* gestartet haben.

Ohne diesen Impuls würde dieser Blog wohl weiter selig vor sich hinschlummern – aber so halte ich an dieser schönen Tradition fest, einen Beitrag zu Andreas‘ Todestag zu verfassen.

Was ist nun anders in diesem Jahr?

Es muss doch endlich mal aufhören… Diese Traurigkeit vor dem Jahrestag…

Das hat nicht etwa jemand zu mir gesagt – nein! Das habe ich mir selbst zugeschrieben. Ich habe mich so sehr verändert, es hat sich so viel gewandelt, ich bin so anders! Darf ich dann vielleicht tatsächlich einmal leicht durch den November hüpfen?!
Denn: ganz ehrlich, es kotzt mich langsam echt an. Dieses Zurückgezogenfühlen, diese Schwere: wie ein Klotz am Bein, der mich am Hüpfen hindert.

Vielleicht

Ja, vielleicht wäre diese Leichtigkeit tatsächlich möglich gewesen – ich fühlte mich ganz bei mir, in Balance. In meinem Leben war und ist viel Herausforderung, aber ich fühlte mich dem durchaus gewachsen und war ganz auf das Leben fokussiert.

Tja, und dann? Dann kommt dieser Lockdown-light in der grausten Zeit des Jahres. So ziemlich alles, was mir Ausgleich und Glücksgefühl beschert, war auf einmal nicht mehr möglich: Sportstudio, Sauna, Essengehen, im Café sitzen, Konzerte hören,… Alles, was Farbe in mein Grau getupft hat – weg.

Was soll ich sagen? Ich habe meinen Farbeimer noch nicht wiedergefunden.
Und so schaue ich auch zweifelnd auf diesen Jahrestag: Wie möchte ich ihn gestalten? Frei nehmen, den Tag in der Sauna und am Meer verbringen? Geht nicht. Im Café sitzen und gedankenverloren im Latte rühren? Geht nicht. Mit dem Sohn beim Lieblingsitaliener lecker essen und auf das Leben und auf Andreas anstoßen? Geht nicht.
Kurz: alles, was ich an kleinen, feinen Ritualen liebe, um durch diesen Tag zu kommen, ist in diesem Jahr so nicht möglich.

Daher der Blick auf das, was möglich ist:

Vielleicht fahre ich nach der Arbeit beim Café vorbei und hole mir ein tolles Stück Torte zum Mitnehmen. Wenn ich gut geplant habe, habe ich bereits einen Kaffee an Bord – wenn nicht, gibt es dort sicher auch welchen außer Haus.
Und dann geht es ab in den Ruheforst. Zwischen den Buchen dem Blätterrascheln lauschen, die Kraft der Bäume aufsaugen und aufs Meer schauen… Das stelle ich mir schön vor.
Tja, und wenn das Wetter mir keinen Lichtstrahl präsentiert, sondern es tatsächlich Katzen und Hunde regnet?! Dann verlege ich das Kaffeetrinken entweder in die Stadt oder setze mich ganz gemütlich (und maskenfrei) zu Hause hin mit Kerzen und Musik…
…und abends gibt es etwas Leckeres vom Lieblingsitaliener! Der bietet das Essen nämlich zum Abholen an.

Geht doch!

Und so werde ich mich nicht krampfhaft gegen die Erinnerungen wehren oder gar zu ignorieren versuchen, dass es dich in meinem Leben gab – du hast noch immer einen Platz in meinem Herzen, ist jawohl klar.
Daher kann ich auch gar nicht anders: ich verbringe den Tag natürlich

nicht mit dir und nicht ohne dich!

Ich bin nun fest überzeugt, dass es trotz oder gerade wegen dieser besonderen Umstände ein schöner Tag wird. Tja, und falls es doch irgendwie alles doof und grau und traurig bleibt, greife ich auf die besonderen Menschen zurück, die wie der liebe Frederick fleißig Sonnenstrahlen, Farben und Wörter gesammelt haben und hole mir dort ein paar ab.
Und letztlich:
Morgen ist ein neuer Tag!


Lieben Dank an Frau Luna, die mir Worte schenkte, als sie mir für diesen Beitrag fehlten…

Memento mori

Memento mori

November bedeutet: Totenhemd-Challenge-Zeit! Es ist wieder soweit: Petra Schuseil und Annegret Zander rufen mit ihrer jährlichen Blog-Challenge auf:

Memento mori – werdet kreativ!

Also eigentlich hatte ich was Kreatives vor – aber da der Zustelldienst meine Lieferung sonstwem geliefert hat (jedenfalls nicht mir), musste ich umdisponieren…

Ich möchte euch gerne an meinen Erinnerungen teilhaben lassen: heute vor 4 Jahren ist mein Liebster gestorben… Ein Brief in den Himmel ♥

…aaaber, ich schreibe nicht an Andreas – wie ich es erst vorhatte – ich schreibe an jemand anderen:


 

Lieber Tod,

ich schreibe dir – dabei hätte ich viel lieber meinen Andreas gerade heute, gerade JETZT neben mir… Vorhin hatte ich kurz das Gefühl, er sei da… Kann das sein? Oder hast du mir mit einem Hauch zeigen wollen, dass ich noch hier und am Leben bin?!

Ja, ich lebe… nur heute schmerzt dieses Leben unfassbar! Ich tauche durch Erinnerungen, die weh tun, denn ich vermisse ihn gerade sooo sehr. Warum hast du ihn mitgenommen?!

Er fehlt mir sooo…

Ich erinnere mich an diesen letzten Abend, bevor Andreas starb… Er war ganz unruhig, wollte unbedingt aufstehen, obwohl das zu dem Zeitpunkt nur noch mit meiner Hilfe und ganz viel Mut und Kraft zu machen war. Sein Körper war schon so weit eingeschränkt… Aber da ihm das so wichtig war (ich weiß gar nicht mehr, wie er mir das zu verstehen gab – sprechen war schließlich auch nicht mehr möglich?!), habe ich ihm diesen Wunsch erfüllt… Er wollte partout auf der Couch sitzen. Für Sohn und mich war „Voice of Germany“-Zeit – da wollte er gerne dabei sein und fernsehschauen. Ich weiß noch, wie anstrengend das für ihn war… Aber wir saßen tatsächlich ungefähr 5 Minuten alle drei einträchtig gemütlich auf der Couch… Aneinander gekuschelt fühlte sich das tatsächlich so herrlich vertraut und „normal“ an… Seufz…

Nach diesem innigen Moment war es, als hättest du bereits im Raum gestanden, um nach uns zu schauen… Vermutlich hast du dich doch erweichen lassen, als du uns so gemeinsam gesehen hast, oder? Ich hatte plötzlich das Gefühl, es gäbe einen kleinen Aufschub für uns. Und doch war da dieser kalte Schauer gefühlter Endlichkeit.

Danke! Danke für diesen schönen letzten gemeinsamen Moment… Danke für diese letzte Nacht, die noch so liebevoll und innig und ohne Ängste verlaufen durfte… Danke, dass du mir nicht übel genommen hast, dass ich dich nicht wahrhaben wollte… konnte…

Ach, was habe ich mit dir gerungen, wollte dich weder sehen noch akzeptieren… Du hast das ignoriert – hattest deine Vorgaben, Pläne oder irgendwelche Gründe… Du hast mir schließlich meinen Herzensmenschen einfach so gestohlen. Dabei hatten wir doch Pläne und Träume… Ich war so unerhört wütend auf dich!

Weißt du, ich hätte so sehr eine Erklärung gebraucht von dir: warum muss ein so junger Mensch sterben? Wo ist da der Sinn? Was hast du dir dabei gedacht???????

Ich habe bis heute keine Antwort auf diese Fragen… Mittlerweile habe ich das akzeptiert: es gibt einfach keine Antwort. Nicht jetzt. Aber glaube mir: ich hebe mir diese Frage auf! Eines Tages, da begegnen wir uns ja auch direkt und persönlich. Dann mach‘ dich darauf gefasst, dass ich dir einiges um die Ohren hauen werde!
…vielleicht aber werde ich auch dann bereits verstanden haben… Wer weiß.

Was ich nun zu verstehen glaube ist ein großes Geschenk, dass du mir ganz nebenbei dagelassen hast (war das Absicht?):

Ich soll end-lich leben!

Mit Haut und Haaren, mit Liebe aus vollem Herzen, Glück aus tiefster Seele, unaushaltbar scheinendem Schmerz, schallendem Lachen, tränengerührten Gesprächen, erquickender Musik,… Die ganz große Achterbahn mit drölfzig Loopings! Her mit dem Leben!

…und das tue ich! Neulich gerade habe ich mich darüber beschwert, dass diese Achterbahnfahrt so immens anstrengend ist – aber, weißt du was? Sie ist soooooo großartig, denn sie lässt mich das Leben mit voller Wucht und in so großer Bandbreite spüren, dass es diesen Kraftakt sowas von wert ist!

Tschakkaaaaa!

Pläne, die mache ich nur noch kurzfristig in absehbarer Zeit – und zwar so, dass ich es ganz unproblematisch finde, wenn sie nicht umgesetzt werden können. Träume… ja, die gibt es. Aber ich träume nicht lange vor mich hin: meistens braucht es nur einen Ruck, um sie Wirklichkeit werden zu lassen… Und wenn nicht, sind sie auch einfach nicht so wichtig.
Ich fühle mich noch weit davon entfernt, dass ich so lebe, als könnte ich jeden Moment sterben und das wäre okay. NEIN! ICH WILL NOCH NICHT! Ich möchte bitte noch hier bleiben!

Aber ich sehe dich jetzt, lieber Tod! Ich verstecke mich nicht, sondern ich nutze die Zeit, die ich habe.

…und wenn du dann eines Tages zu mir kommst, werde ich bereit sein. Ich glaube, wir werden uns wie Freunde umarmen und ich werde mich freuen, mit dir gehen zu dürfen. Das wird nämlich eine große Ehre sein und die Ängste, die wir Menschen uns hier zusammenreimen, sind einfach komplett irrsinnig…

Bis dahin sei aber so gut und gib mir Zeit, ja? Ich möchte mein end-liches Leben genießen!!!

Deine Anja

PS: …untersteh‘ dich und hole meinen Sohn vor mir ab! Dann bist du fällig!

PPS: …denk‘ dran, ich erwarte eine Antwort auf meine Fragen!


 

Ein herrlicher Erinnerungsnachmittag im Ruheforst… Es sind viele Tränen geflossen, denn ich kann es kaum fassen, dass es 4 Jahre her ist, dass du sterben musstest… Ich fühlte mich dir ganz nah… Und gleichzeitig warst du so weit weg…

Da war dieser Raubvogel, der eigentlich auf Beutezug war und dann auf einmal zu uns flog… Magisches Licht im Wald… Wind von Ost, der das Meer aufwühlt… Laubrascheln…

Wir haben dir einen „waldgerechten“ Altar aufgebaut. Rosenblätter, eine Muschel vom Strand, ein Brief, ein Herz aus Vogelfutter… eine Kerze, damit du uns leuchten sehen kannst… Das Windlicht haben wir wieder mit heim genommen, denn das darf ja im Wald nicht stehen bleiben…

…wish you were here!

Neue Energie…

Neue Energie…

…wie soll es denn nun weitergehen? Wie kann es weitergehen?

Die Jahreszahl hat *klack* heute Nacht gewechselt. 365 Tage liegen unberührt vor uns (naja, einer ist schon fast rum)… Überall wird man überschüttet mit guten Wünschen fürs neue Jahr… Fröhlichkeit, Ausgelassenheit – auch der ein oder andere Kater und bleierne Müdigkeit… Ich freue mich, dass ich das mittlerweile gut aushalten und das ein oder andere Mal sogar mitgehen kann. Mein Empfinden hat sich tatsächlich gewandelt… Ich blicke ja inzwischen auf 4 Silvester zurück – ohne ihn. Anders. Ich kann diesem Tohuwabohu noch immer nicht wirklich etwas abgewinnen. Vielleicht bleibt das auch einfach so…?

Ich habe einen schönen Jahreswechsel verbracht – hoch über der Stadt auf einem Kirchturm. Weit ab von allem Getümmel aus der Vogelperspektive aufs Feuerwerk schauen hatte etwas ganz Besonderes. Irgendwie abgehoben und doch „mitten drin“. Das war toll.
Und doch… Leicht ist es mir nicht gefallen…

Aber das muss es auch nicht. Ich kann mein „anders Empfinden“ gut aushalten. Das tut gut.
In vorhergegangenen Jahren habe ich mich oft „falsch“ gefühlt, obwohl ich doch für mich richtig gehandelt habe. Zurückgezogen zu Hause für mich gefeiert… Früh ins Bett… Mit meinem Sohn am Strand… Ich habe immer einen für mich guten Weg gefunden, den Jahreswechsel zu überstehen (von Feiern keine Rede). Trotzdem war für mich immer ein Fragezeichen präsent: bin ich richtig so? Ist das okay? Muss ich nicht langsam mal wieder mitfeiern?
Nö! Das stelle ich nun nicht mehr in Frage. Ich bin gut so, wenn ich auf meinen Bauch höre und tue, was mir passend erscheint.

Nichtsdestotrotz waren der Rest von 2017 mit dem Tod meiner Schwiegermutter und der energieraubenden Trauerfeier anstrengend… Mir war daher nicht nach Jahresrückblick zumute. Viel lieber möchte ich nach vorne schauen und mir etwas zurecht legen, das mir durch die Tage hilft.

Auf Facebook bin ich über ein Ritual „gestolpert“, das mich sehr angesprochen hat. Eine liebe Freundin hatte mir in ganz ähnlicher Form nach Andreas‘ Tod schon einmal davon berichtet – zu der Zeit war es aber irgendwie nicht „dran“ für mich. Nun, da es mir wieder begegnet, scheint es sich geändert zu haben ;0)
Gerne möchte ich es mit dir teilen – vielleicht magst du es auch? Vielleicht passt es genau jetzt zu dir?

Notiere schöne Erlebnisse – oder schöne Erinnerungen, die aufkommen – auf einem Zettel… Halte dieses besondere Ereignis oder Gefühl fest (wirklich aufschreiben!) und lege den Zettel in ein Glas oder ein anderes Gefäß, das du schön findest.
Auch wenn man manchmal den Eindruck hat, es gebe nichts Schönes, kein Glücksgefühl mehr… Es gibt sie doch, diese besonderen Momente, wo ein Lächeln übers Gesicht huscht – oder du sogar von Herzen lachen musst. In dunklen Phasen verschwinden diese Glücksmomente im Dunkel und sind schnell vergessen… Mit dem kleinen Hilfsmittel, sie aufzuschreiben, gehen sie nicht verloren, sondern werden „greifbar“. Mit der Zeit werden sich Zettel ansammeln – vertraue auf die Zeit – und so sammelst du einen kleinen ganz persönlichen Schatz.

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Quelle: Pixabay

Aus diesem Schatz kannst du dir dann immer, wenn du es brauchst, ein Teil herauspicken (oder alle lesen). Liest du die Notizen, kannst du in das Gefühl eintauchen, das du hattest, als du den Zettel geschrieben hast…

Ich werde das tatsächlich einmal ausprobieren.

Um den Effekt, die „Magie des Positiven“ zu verstärken, werde ich mein Achtsamkeitstagebuch wiederbeleben. Das hatte ich schon einmal eine ganze Zeit lang gemacht, aber aus einem nicht definierbaren Grund wieder fallen lassen.

Ich nehme mir jeden Abend ein wenig Zeit, auf den Tag zurück zu blicken – nur ein paar Minuten (oder auch mal länger, wenn mir danach ist). Ich schreibe mir dann 3 Kleinigkeiten auf, die mich an dem Tag gefreut oder gar glücklich gemacht haben. Es dürfen natürlich auch mehr Dinge sein – aber 3 finde ich eine absolut machbare Anzahl. Selbst am vergurktesten Tag, wo ich abends das Gefühl habe, dass wirklich alles mies war… Ich finde am Abend trotzdem 3 Dinge, die schön waren. Es geht dabei nicht um große Emotionen oder bahnbrechende Ereignisse, sondern um Kleinigkeiten: Vogelgezwitscher, das Lächeln der Frau an der Ampel, eine Blume, ein Kaffee,… Es gibt so viele schöne Klitzekleinigkeiten, die den Tag leichter machen.
Dann habe ich noch eine Ergänzung meiner Schatzkiste… Ein Schatz im Glas und einer im Buch…

Es tut unglaublich gut, wenn man dann mal in diese Schatzkiste greifen kann und nachspürt, wie viele gute Momente es gab… Wie schön das Leben doch ist – trotz allem…

 

Kennst du auch schon die Achtsamkeitsübung mit den 3 Kaffeebohnen oder Erbsen oder Steinchen? Dazu steckst du dir am Morgen 3 Teile in die linke oder rechte Hosentasche und gehst etwas bewusster durch den Tag: jedes Mal, wenn du einen schönen Moment erlebst, wandert ein Teil in die andere Hosentasche. Am Ende des Tages sind die Teile immer gewandert, oder? Wenn man die „Messlatte“ niedrig hängt und einfach Kleinigkeiten wertschätzt, ist das einfach. Diese Übung tut total gut, finde ich – sie ändert den Fokus… Bei dieser Übung hat man allerdings nichts Nachvollziehbares, daher finde ich das Aufschreiben am Abend noch einen Tick wertvoller…

Kennst du solche Übungen auch? Hilft dir so was?

Ich wünsche dir für das kommende Jahr viele kleine schöne Momente, die dir Kraft geben, die schweren, dunklen, traurigen Momente aufzuwiegen oder zumindest tragbar zu machen ♥