Jahrestag…

Jahrestag…

Heute ist es nun wieder soweit… Heute vor 3 Jahren ist Andreas gestorben… Seit seinem Tod habe ich mir diesen Tag frei genommen – so auch heute…Ich möchte diesen Tag bewusst erleben – mich durch nichts und niemanden ablenken lassen. Zeit für mich und meine Erinnerungen haben… Ins Büro zu gehen, wäre für mich irgendwie falsch… Noch bin ich nicht so weit, dass ich diesen Tag im Jahr als einen wie vielen angehen kann. Ich weiß auch nicht, ob dieser Tag jemals wieder einer unter vielen werden wird – und das muss er auch nicht…

Seit dem 17.11.2014 hat sich mein Leben grundlegend geändert – und vielleicht ist es genau richtig, sich das in jedem Jahr wieder in Erinnerung zu rufen. Ich möchte an diesem Tag gerne zurückblicken auf das, was war – hineinspüren, was in mir gerade los ist. Ja, und einen Blick darauf werfen, ob ich mich auf dem richtigen Weg in meinem Leben fühle oder ob es eine Neu-Ausrichtung braucht.

In jedem Jahr nehme ich mir daher Zeit für mich – unternehme etwas Schönes, das mir gut tut und das dieses Spüren ermöglicht. Darüber hinaus habe ich Zeit, alle Gefühle, die an dem Tag aufkommen, so zu nehmen, wie sie eben da sind. Bin ich traurig? Bin ich fröhlich? Vermisse ich? Schmerzt es? Lache ich, weil eine lustige Erinnerung mich dazu bringt?

Im ersten Jahr nach Andreas‘ Tod habe ich mir nicht nur den Jahrestag, sondern gleich die ganze Woche drumherum frei genommen.

Im zweiten Jahr habe ich einen Tag in der Sauna an der Ostsee verbracht. Wärme, Blick aufs Meer, Baden im Meer (im November, juchu!), Massage,… Abends sind mein Sohn und ich zu unserem Lieblings-Italiener (dort waren wir häufig zu dritt) zum Essen gegangen und haben auf Andreas angestoßen.

Auch in diesem Jahr nehme ich mir eine Auszeit – wie der Tag genau verläuft, wird sich im Lauf des Tages zeigen.

Im Grunde genommen ist es ein wenig „Augenwischerei“, wenn ich hier von einem Jahrestag schreibe… Ehrlich gesagt sind es die Wochen von Oktober bis zu diesem Tag, die ich Schritt für Schritt durch Wellen von hoch und tief gehe… Da sind so viele Tage der Erinnerung – schön und schwer zugleich. Eine sehr intensive Zeit… Meinem Empfinden nach ist der Todestag so eine Art „Schlusspunkt“ dieser Phase – nicht der Tag der Beerdigung oder Weihnachten oderoderoder. Ab dem Todestag spüre ich jedes Jahr einen Wendepunkt. Ab da wird es anders. Nicht besser oder schlechter – anders.

Wenn ich zurück blicke, hat sich das Empfinden dieser Zeit verändert. In diesem Jahr spüre ich zum allerersten Mal so etwas wie Leichtigkeit – das ist total schön. Vielleicht – nein, sehr sicher – hat mir diese besondere Begegnung auch diese positive Veränderung beschert… Dieses bewusste Gehen durch diese Zeit ist daher genau der richtige Weg für mich. Wie sonst könnte ich diese Veränderungen so genau wahrnehmen?


Erinnerungsritual

Gerne möchte ich meine Erlebnisse vom 17. November 2015 mit dir teilen, denn wir haben an dem Tag ein besonderes Ritual gemacht…

Gemeinsam mit meinem Sohn und meinen Eltern habe ich im November 2015 Urlaub auf meiner Lieblingsinsel Sylt gemacht. Sylt ist für mich ein wenig wie eine zweite Heimat. Als Kind war ich dort häufig mit meiner Familie im Urlaub, nach meiner Ausbildung habe ich ein Jahr auf Sylt gearbeitet – der Wind, der dort weht, ist für mich ein ganz besonderer…

Am Morgen habe ich noch ein 1.000-Teile-Puzzle zu Ende gepuzzlet. Und musste dann feststellen, dass das letzte Teil partout nicht auffindbar war… Weg… Verschwunden… Es fehlt… Er fehlt… Wie ein Puzzleteil in meinem Leben… Ich saß also vor diesem Puzzle und hab geheult… Seufz…

Nachdem die Tränen getrocknet waren (es waren keineswegs die letzten an diesem Tag ;) ), haben mein Sohn und ich zusammen am Tisch gesessen und Steine von der Ostsee bemalt und beschriftet.

Trauerritual Steine
Bemalte Ostseesteine – Trauerritual Jahrestag

Wir hatten die Steine vor dem Urlaub bei uns zu Hause am Strand gesammelt. Das war eine schöne gemeinsame Aktion – da bereits gab es berührende Gesprächsmomente und Erinnerungen, die wir geteilt haben.

Beim Beschriften und Malen war auch eine ganz besondere Stimmung zwischen uns und es gab auch hier viel zu erzählen und zu erinnern. Das war einfach wunderschön!

Mit diesen bemalten Steinen sind wir dann ab an den Nordseestrand und haben sie jeden für sich ins Meer gepfeffert. Yaaaay… Frust und Wut und Traurigkeit und Schmerz… Ab damit in die Wellen…

Ich fühlte mich danach regelrecht frei…

20151117_Meer
Trauerritual an der Nordsee (Foto: Anja Pawlowski)

Extra besonders hat diesen Tag die Begegnung mit einem Heuler gemacht. Mein Sohn und mein Vater haben am Strand geangelt, während meine Mutter und ich spazieren waren. In der Zeit kam der kleine Seehund die Angler besuchen. Ich musste mich mit den Fotos zufrieden geben – ja, ich war ehrlich gesagt ein wenig neidisch ;) Ich kenne die Seehunde nur von den Sandbänken um die Nordseeinseln oder aber aus dem Seehundbecken in Kiel – so nah in freier Natur habe ich noch nie einen getroffen…

Aber wie schön – ich habe mich umso mehr für meinen Sohn gefreut, der so ein ganz besonderes Erlebnis hatte…


Wie gehst du mit deiner Trauer um an solchen Jahrestagen? Nimmst du dir extra Zeit dafür? Oder sind das für dich Tage wie andere auch? Was hilft dir durch diese Tage oder Phasen?

11 Gedanken zu “Jahrestag…

  1. Bei uns jährt sich bald der 2 Jahrestag und erst dachte ich, vielleicht ist es ja leichter…. nun ist es nicht. Als die Tage kürzer würden der Herbst sich ankündigte, würde die Schulter ein wenig schwerer. Dann gab es wieder Lebkuchen und die Tränen würden mehr. Auch die Gespräche werden mehr und intensiver. Erinnerungen und auch Schuld? Das sind die großen Fragen. Ich finde die Idee mit den Steinen schön. Für mich stehen sie auch für den Weg, den man irgendwie hinter sich lässt oder vielleicht auch vor einem.
    Danke für diesen Beitrag. Ich denke, er hat ein Stein ins Rollen gebracht 😊

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Silke,
      wie schön, dass du deine Gedanken teilst. Danke!
      Fühl dich gedrückt, wenn du magst… Das ist eine Zeit, die irre viel Kraft erfordert…
      Gerade heute fühle ich mich übrigens so gar überhaupt nicht leicht… Die Schultern sind wohl so ungefähr auf Hüfthöhe…
      Es darf schwer sein, denn es fehlt ja noch immer jemand… Und das bleibt so… Warum eigentlich soll der Schmerz weniger werden? Ich wünsche mir das auch immer wieder – aber wahrscheinlich hauptsächlich, weil man das Gefühl hat, man kann nicht noch einmal und noch einmal durch diesen Schmerz durch… Aber: doch! Kann man… Das gehört wohl zur Liebe dazu…
      Ich wünsche dir, dass du eine Antwort auf deine Schuld-Frage findest und zumindest das von dir abfallen darf! Vielleicht pfefferst du ein paar Steine in die Ostsee? Dann kommt vielleicht noch mehr ins Rollen ;)
      Herzliche Grüße,
      Anja

      Like

  2. Was für ein schönes Ritual, liebe Anja. Und insgesamt so schön, wie du dir ganz bewusst Zeit nimmst an diesem Tag. Zeit zum Fühlen, was gerade gefühlt werden möchte. Zeit für dich, Zeit für euch. Ich finde mich darin sehr wieder. Auch bei mir war es der dritte Todestag, an dem sich die Leichtigkeit unter die Gefühle mischte.
    Ich sende dir einen ganz lieben Herzensgruß
    Silke

    Gefällt 1 Person

    1. Dankeschön, liebe Silke!
      Es fühlt sich so gut und richtig an für mich…
      Ich bin gerade auf dem Weg in den Ruheforst… Das Wetter ist genauso wie vor 3 Jahren… Die Sonne lacht, als ob nichts wäre… Ist irgendwie schön – als ob sich der Himmel weitet…
      Herzliche Grüße,
      Anja

      Like

  3. Durch Zufall bin ich gerade heute auf diesen Blog gestoßen, ich weiß nicht, ob man schön sagen kann in unserer Situation, aber ich empfinde es so😊!
    Mein Sven ist am 20.12.2016 an Leukämie gestorben, heute ist unser 15. Jahrestag. Vor 5 Jahren machte er mir einen wunderschönen Heiratsantrag. Den ersten Hochzeitstag allein habe ich schon hinter mir, es war sehr sehr schmerzhaft. Und heute, heute war es auch sehr sehr schmerzhaft. Trotzdem geht das Leben, manchmal leider, manchmal zum Glück weiter. Ich habe tolle Freunde, Familie, Kinder. Das hilft! Außerdem eine tolle Trauergruppe, bzw. ein Stammtisch für jung Verwitwete, dort habe ich schon wunderschöne Freundschaften geschlossen.
    So weiß ich auch, das ich den bald kommenden Todestag überstehen kann. Und ja, es ist nicht nur dieser eine Tag sondern gerade jetzt die Zeit mit den Erinnerungen an letztes Jahr, eine Zeit, in der es nur Hiobsbotschaften gab. Aber mein Held war trotz allem immer positiv und hatte seinen Humor nicht verloren.
    So versuche ich, die schönen Zeiten in Erinnerung zu behalten.
    Danke für deinen Blog!
    Liebe Grüße Bine

    Like

    1. Liebe Bine,
      wie schön, dass du hier „gelandet“ bist! Ich glaube ja, du hast nicht zufällig hierher gefunden – manchmal fügt es sich eben passend ;)
      Herzlichen Dank, dass du deine Geschichte hier erzählen magst! Ui, da hast du auch einen schweren Tag heute… Ich fühle mit dir…
      Es klingt so, als hättest du ein tolles Umfeld gefunden – das wird dich sicher durch die schweren Tage und auch durch den Todestag tragen… Ich wünsche dir, dass dir ganz viele schöne Erinnerungen die Zeit leichter oder zumindest erträglicher machen!
      Alles Liebe für dich!
      Herzliche Grüße,
      Anja

      Like

  4. Hat dies auf ilseluise rebloggt und kommentierte:
    „Ab dem Todestag spüre ich jedes Jahr einen Wendepunkt. Ab da wird es anders. Nicht besser oder schlechter – anders.“
    So habe ich es auch erlebt, immer wieder, gerade in diesem Trauermonat, den so viele liebe Menschen „wählten“ um zu gehen.
    Erinnerungsrituale – sehr stärkend!

    Like

  5. Vielen Dank für deine Worte. Sehr schöner Blog. Ich habe am 03.05. absolut überraschend meinen Papa verloren. Am ersten Todestag war ich bei ihm auf dem Friedhof. Mich hat es ziemlich „Verspult“, somit war ich an diesem Tag in einer psychosomatischen Klinik. Vor dem zweiten Weihnachten habe ich große Angst. Jetzt ist alles bewusster als vor einem Jahr. Sehe auch immer meine Mama. Sie war mit meinem Papa seit sie 17 Jahre alt ist zusammen und es tut mir sehr weh, sie alleine zu sehen und zu sehen wie sie leidet.

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Sylvia,

      vielen Dank für deine Zeilen… So ein plötzlicher Tod ist sehr schwer zu verkraften – manchmal ist der Schmerz so unfassbar groß, fast größer als man selber…
      Toll, wenn du Hilfe annehmen kannst, wenn du sie brauchst! Man muss sich in so einer Situation nicht alleine durchschlagen – du darfst dir Halt suchen!
      Wie wäre es, wenn du mit deiner Mama gemeinsam überlegst, wie ihr die Weihnachtstage verbringen möchtet? Vielleicht findet ihr zusammen eine neue Tradition?

      …meist ist die Angst vor solchen Tagen übrigens viiiiel größer als es dann tatsächlich wird…

      Wenn du magst, fühl dich gedrückt!

      Herzliche Grüße
      Anja

      Gefällt 1 Person

  6. ich weiß garnicht was ich schreiben soll, aber ich habe das Verlangen dannach.. mein Papa ist nun schon vor 13j verstorben. ich kann nicht loslassen weil ich nicht vergessen möchte, aber ich merke auch das es mich runterzieht.. nun ist die Frage ist das jetzt gut oder schlecht.. ich weiß es nicht. In der Therapie geht es nun darum das ich weiterleben und dieser Teil von mir der verloren ging an meinem Leben Teil haben zu dürfen.
    es ist so schwierig..
    solch ein Chaos in diesen Worten wie auch in mir..
    liebste Grüsse Maja

    Like

    1. Liebe Maja,

      ich finde, du brauchst nicht loszulassen oder zu vergessen. Aber dass du weiterleben darfst, das finde ich in der Tat wichtig. Schön, dass du dir Unterstützung dafür geholt hast.
      Nimm deine Trauer um deinen Papa mit – vielleicht kannst du dann leichter weitergehen und findest Ruhe in dir.

      Herzlich,
      Anja

      Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..