Neulich wollte ich vor allem eines: abschalten. Der Tag war anstrengend, ich eigentlich total müde… Einfach mal die Glotze an und den Kopf aus… So der Plan.
Dieser „Schubidu“-Film, der da lief, war aber nicht so schubidu, wie ich es gebraucht hätte. Hauptfigur: eine Mutter von 2 Kindern – alleinerziehend, weil ihr Mann bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen ist. Mit den Details des Filmes möchte ich dich gar nicht langweilen… Da sind aber Zeilen aus einem Mutter-Kind-Gespräch, die mich ganz schön aus der Bahn geworfen haben. Es waren Vorwürfe des Kindes an die Mutter:
„Als Papa noch da war, warst du nie so…“
Dieses „so“ kann man nun durch diverse Adjektive ergänzen:
- ungeduldig
- zerstreut
- chaotisch
- traurig
- abwesend
- …
Ich bin sicher, dir fällt auch das ein oder andere Adjektiv ein, das man dir an den Kopf werfen könnte oder sogar geworfen hat. Oder was dir spontan als erstes zu einem Trauernden in deinem Umfeld einfällt.
Die Antwort der Film-Mutter hat mich vollends aus der Bahn gekegelt… (Hallo?!? Ein „Schubidu“-Film wohlgemerkt?!?!)
„Als Papa noch da war – da war ich noch ganz.“
Okay: Schleusen auf, Zuschauerin heult… Uuuund bitte!
Es beschreibt so kurz und knackig genau das, was der Tod mit einem macht. Der Partner stirbt und es fühlt sich an, als sterbe ein Teil von dir mit. Es fehlt ein Stück… Ein Stück von dir, von deiner Persönlichkeit…? Ein Stück „du“, denn bis dahin warst du Teil eines „wir“. Man ist nicht mehr „ganz“.
Der Tod wirft einen um… Irgendwann steht man wieder auf, obwohl ein Teil von einem fehlt und macht weiter. Aber da ist diese neue Eigenschaft als Resultat völliger Überforderung oder schlichtweg aus purem Schmerz…
Ich erinnere mich, dass ich in vielen Situationen ungerecht gehandelt habe. Ich war unfair, war ungnädig, unausstehlich, unerträglich,… Viele, viele „un“s fallen mir da ein.
Nicht immer, natürlich, aber echt häufig.
Ich glaube, an diese Stelle passt gut ein dickes Dankeschön an den weltbesten Sohn, der zu Hause vermutlich am meisten von diesen „un“s abbekommen hat (zu Hause fallen die Masken…) DANKE! Danke, dass du das,… dass du mich ausgehalten hast ❤️
Was soll ich sagen? Ich konnte nicht anders… Wie gerne wäre ich ausgeglichen, fröhlich und lachend durch die Welt gehüpft. Aber da war dieser Schmerz, es fehlte doch ein Stück von mir…
Hinzu kommt, dass man den Alltag plötzlich alleine wuppen muss. Sei es mit Kindern oder ohne – du bist von jetzt auf gleich der Einzige, der für alles verantwortlich ist. Da steht man beispielsweise schon mal mit dem Wocheneinkauf im Treppenhaus und heult – nicht nur, weil man alles alleine in die Wohnung schleppen muss… Man hat auch noch viel zu viel, nämlich immer für 1 Person zusätzlich, eingekauft…
Nach dem Tod lebt man nun mit dieser Lücke, mit diesem fehlenden Stück. Und damit man nicht daran zerbricht oder auseinander bricht, versucht man mehr oder minder verzweifelt, diese Lücke zu schließen oder das fehlende Stück auszugleichen. Aber wie soll das gehen, wenn man so ins Wanken kommt?
Ich fühlte mich nach Andreas‘ Tod komplett aus dem Gleichgewicht.
Nach und nach habe ich erkannt, dass kein Stück von mir fehlt… Ich bin noch ganz! Alles, was in mir zerbrochen ist – es macht mich nicht lückenhaft… Es fehlt ein Mensch in meinem Leben, ja. Und es fehlt ein Stück aus meiner Zukunft, denn die war doch anders geplant, als sie jetzt stattgefunden hat… Aber das ist ein Stück, das ich mit neuem Leben füllen kann. Es bringt mir Andreas nicht zurück – aber es bringt mich wieder ins Lot, wenn ich für Ausgleich sorge. Wenn ich gut für mich sorge, wenn ich dafür sorge, dass es mir irgendwie wieder gut geht, dass ich mich wieder „ganz“ fühle.
Dafür gibt es wohl keinen Masterplan… Ich habe nach und nach gelernt, mich besser zu spüren, zu fühlen, was ich gerade brauche. Anfangs mit viel Hilfestellung von Gisela, mittlerweile sind meine Sensoren intakt…
Wie ist es bei dir? Magst du mir verraten, ob du irgendwie „un“-irgendwas bist? Was tust du, um dich „rund“ zu fühlen oder was könntest du tun?

2 Gedanken zu “Unkomplett…”