Im Alltag geht es häufig unter… Vieles ist selbstverständlich. Vieles bleibt ungesagt. Diese Vertrautheit ist soooo schön. Und gleichzeitig auch ein wenig trügerisch. Denn ist es wirklich so selbstverständlich, dass der andere weiß, was in mir vorgeht? Selbst wenn: ist es nicht wunderschön, seine Liebe auszudrücken? Tut es nicht gut, Konflikte auszusprechen und sie dadurch zu lösen? Klarheit tut doch gut, oder?
„Ach, der andere weiß schon, wie es mir gerade geht.“
„Sie weiß doch, dass ich sie liebe, warum soll ich ihr das ständig sagen?“
„Ich bin gerade stinksauer auf ihn, weil… Ach, ich habe aber keine Lust auf diesen Stress.“
…meist ist für uns auch selbstverständlich, dass der andere ja eh immer da ist und bleibt. Es ist soooooooo viel Zeit, da kann man später auch noch reden.
Was aber, wenn dann der Tod dazwischen grätscht? Zack ist der Gesprächspartner fort… Und wir werden diese unausgesprochenen Worte, diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten nie mehr los.
Ich habe häufig mit mir gerungen… Hätte ich doch das-und-das gesagt, es ausgesprochen… Warum habe ich ihn nicht gefragt, warum… Weshalb habe ich nicht darauf bestanden, dass er mir erklärt,… Tja, aber die Gelegenheiten sind verstrichen. Chance vertan…
Mittlerweile bin ich überzeugt, dass wir alles in Worte gefasst haben, was uns möglich war. Wir haben unser Bestes gegeben… Und Vieles war tatsächlich einfach selbstverständlich und klar für uns beide.
Dennoch habe ich mir nach Andreas‘ Tod vorgenommen, offener zu kommunizieren.
Aussprechen, was wichtig ist.
Was aber, wenn nach dem Tod eines geliebten Menschen viele unausgesprochene Worte übrig bleiben, die bedrücken, die quälen? Eine Idee, ein besonders schönes Ritual möchte ich euch bei dieser Gelegenheit vorstellen. Ich habe es gemeinsam mit meiner Kur-Gruppe durchgeführt – es war ein ganz besonderes Erlebnis:
Brief an einen Verstorbenen
Eigentlich ganz einfach, aber manchmal erkennt man das Naheliegende ja nicht: Schreib die Worte auf!
Wir haben uns Zeit genommen und einen Brief an unsere Partner verfasst. Jede/r für sich quasi als „Hausaufgabe“. Wer was wie geschrieben hat, blieb dabei unser Geheimnis…
Gemeinsam sind wir dann mit unseren Briefen auf den Friedensberg in Sellin gewandert – der Friedensberg ist ein sogenannter Kraftort. Ich hatte zuvor noch nie von so etwas gehört und war entsprechend ungläubig. Solche Orte sind aber in der Tat magisch…
An einer Stelle, die wir gemeinsam ausgewählt haben, wurden die Briefe an die Verstorbenen einer nach dem anderen verbrannt. Durch das Verbrennen finden die Worte eine neue Form, sie machen sich auf den Weg… Es war enorm spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Briefe verbrannt sind. Auch irgendwie magisch…
Zwei von uns fanden das Verbrennen unpassend, uns war mehr nach Wasser zumute. Somit ging es dann gemeinsam ab an den Strand. Diese zwei Briefe wurden um dicke Steine gewickelt und mit großem Schwung in die Ostsee geworfen – die Schrift auf dem Papier löste sich im Wasser auf und auch so haben sich die Worte auf den Weg gemacht…
Auf welchem Weg auch immer. Auf den Weg gebracht sind diese unausgesprochenen Dinge vom Herzen geschrieben und bedrücken nicht mehr… Tut einfach gut!
…übrigens hatten wir anschließend noch großen Spaß dabei, Steine ins Meer zu pfeffern. Das befreit auch enorm ;O)
Hast du schon einmal jemandem geschrieben, der nicht mehr da ist? Oder hast du dich auf anderem Wege ausgedrückt?

Liebe Anja,
wie wahr deine Worte sind! Ich verlor meinen Sohn im November 2016 mit 2 Jahren, 5 Monaten und auch ich schreibe ihm immer mal wieder. Entweder lasse ich meinen Brief an Luftballons in den Himmel steigen, falte ein Boot daraus und setze es auf die Elbe oder ich schreibe auf seine Facebookseite.
Ich drücke dich ganz lieb aus der Ferne!
Laura mit Marty fest im Herzen ⭐💛
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Liebe Laura,
danke für dein Feedback, ich freue mich sehr darüber.
Es tut mir sehr leid, dass du nur so kurze Zeit mit deinem Marty verbringen konntest. Aber es ist toll, dass du weiter deine Gedanken, Träume und Wünsche mit ihm teilst – sie kommen sicher in seinem Herzen an.
Luftballons sind schöne „Gedankenträger“ und Papierboote auf der Elbe stelle ich mir auch sehr schön vor :O)
Ich drücke dich zurück – liebe Grüße an die Elbe
Anja
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