Zu diesem Artikel hat mich Silkes Blogbeitrag auf www.in-lauter-trauer.de „Vom Fluss des Lebens“ inspiriert (danke, liebe Silke ♥). Ich fand es spannend, den Lauf des Lebens mit dem eines Flusses zu vergleichen und habe das mal auf meine Erfahrungen übertragen…
Ich habe bis zu Andreas‘ Tod immer alles unter Kontrolle haben wollen. Habe mir ein Boot gesucht, das mich sicher durch die Fluten bringt. Nicht zu groß, nicht zu klein… Keine schmucke Segelyacht oder einen großen Luxusliner wollte ich haben. Es war wichtiger, dass das Boot immer schön stabil und auf Kurs bleibt. Nur keine wilden Aktionen, die das Boot ins Wanken bringen – immer schön für Ausgleich sorgen, damit die Füße nicht nass werden… Klar hab ich auch mal was gewagt… Aber nur so weit, wie ich absehen konnte, dass das Boot unter Kontrolle bleibt… Große Wagnisse waren nie meins.
Einmal gab es sehr raue See und mein Boot hat Leck geschlagen. Es hat mich viel Kraft gekostet, das Leck abzudichten und dann auch wieder auf einen Kurs zu kommen, auf dem ich mich wohl fühlte. Ich war aber stolz, dass ich mein Boot wieder „in Schuss“ hatte. Ich hatte mich gut eingerichtet auf meinem Boot. Es ging mir gut.
Unwetter…
Eines Tages aber verfinsterte sich der Himmel… Donnergrollen… Die Erde bebte…
Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wie soll ich es durch dieses Unwetter schaffen? Naja, wie schon? Kämpfen! Ich nahm das Steuer in die Hand. Wenn das Wasser an Deck schwappte, schöpfte ich es weg. Ich schaffe das, ich schaffe das, ich schaffe das, ich…
Jeden Tag diese Unsicherheit, ob alles gut wird. Stets begleitet von der Angst, dass entweder mein Boot kentert oder aber meine Kräfte zu Ende gehen.
Zwischendurch wurde der Fluss wieder ruhiger, es kam sogar mal die Sonne raus. Das waren aber immer nur kurze Pausen. Anschließend toste der Fluss nur umso wilder.
Dann kam ein Tag, da war es nach stürmischer Nacht ganz ruhig, fast friedlich. Ich stand an Deck, fühlte mich gut.
Doch da sah ich ihn am Ufer stehen. Ganz still stand er da und schaute mein Boot an. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Hat er hämisch gelacht? War er betrübt? Tat es ihm leid? Oder war es ihm schlicht egal, was er da tat? Ich denke, er hat einfach getan, was er tun musste…..
Tja, und da zog der Tod am Wassersaum, schwenkte ihn hoch, sodass eine Riesenwoge entstand. Diese Woge riss mein Boot um, ich tauchte unter, kämpfte mich an die Wasseroberfläche, die Welt stand Kopf, ich wurde von Strudeln durchgeschüttelt, tauchte wieder unter,… Die Wirklichkeit bog sich, der Fluss wirbelte, stürmte, toste,…
Mein Boot war weg, es ist wohl gesunken…
Weitermachen…
Irgendwie habe ich es geschafft, ich bin nicht untergegangen. Habe gelernt, in diesem reißenden Fluss zu schwimmen. Ein neues Boot? Nicht in Sicht.
In ganz dunklen Nächten gab es einen hellen Stern*, der mir ein wenig tröstendes Licht spendete. Er leuchtete für mich. In seinem Glanz habe ich Steine im Fluss entdecken können, auf die ich mich stellen konnte, um auszuruhen und neue Kraft für das Weiterschwimmen zu sammeln.
Während dieses Überlebenskampfes habe ich eines ganz stark fühlen gelernt: das Leben, meine eigene Lebenskraft. Ich habe gelernt, mich besser zu spüren und meine Kräfte besser einzuteilen. Ich habe mich nach und nach freigeschwommen und darauf geachtet, dass ich nicht zu viel Ballast mit mir trage und darauf, dass ich mich nicht von anderen in Richtungen zerren lasse, die für mich nicht passen.
Statt mir ein neues Boot zu bauen, halte ich Ausschau nach Steinen im Fluss, wo ich mich ausruhen kann, um Kraft zu schöpfen. Mittlerweile weiß ich, wie ich sie finden kann!
Statt mit einem Boot einem Kurs zu folgen, schwimme ich nun direkt im Fluss des Lebens. So erlebe ich wunderbare Überraschungen, begegne Menschen in diesem Fluss, die ich sonst nie getroffen hätte.
Ich bin nun weicher, geschmeidiger und kann mich den Stromschnellen anpassen anstatt gegen sie anzuschwimmen… Kämpfe keinen Kampf mehr gegen den Fluss, den ich nicht gewinnen kann… Wenn das Wasser ruhig ist, lasse ich mich treiben und genieße. Ist der Fluss wild und aufgewühlt, surfe ich auf den Wellen und spüre die Naturgewalten.
Das fühlt sich gut und lebendig an. Wenn die Kräfte reichen, schwimme ich ein Stück in eine Richtung, die mich neugierig macht. Ich spüre das Leben viel intensiver, ich nehme Freude, Wut, Glück, Enttäuschung, Zufriedenheit und auch meine Trauer an und lasse mehr Tiefe in mein Leben.
Wie bist du unterwegs? Bist du Kapitän auf einer stolzen Yacht? Hast du eine Nussschale? Oder bist du der Surfer, der da eben an mir vorbeigezischt ist?

* Mein Stern in dieser Zeit: Gisela Sender!
Danke!!! Ohne dich wäre ich nicht die, die ich heute bin und nicht dort, wo ich heute stehe :0*
Oh wie schön, liebe Anja, ich freue mich total, dass ich dich mit meinem Artikel inspirieren konnte und finde es ganz wunderbar, wie du das Bild des Flusses weiterentwickelt hast und deinen Weg damit beschreibst. Ich kann mich gut darin wiederfinden, vor allem am Ende. Zu lernen, ganz direkt und ohne Boot im Fluss des Lebens zu schwimmen, ist so wertvoll und ich bin wahnsinnig dankbar dafür und für all die Erfahrungen, die erst dadurch möglich werden und für dieses intensive, lebendige Leben. Danke fürs Erinnern und für dieses schöne Bild!
Liebe Grüße :)
Silke
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Liebe Silke,
ich freue mich so über dein Feedback – danke!
Es hat Spaß gemacht, diese Idee weiterzu“spinnen“ und auf diesem etwas abgedrehten Weg die eigenen Erlebnisse ein Stück weiter zu verarbeiten.
Ich erinnere mich, dass ich damals, als ich zu deinem Beitrag kommentierte, ganz berührt und angerührt war… Ja, auch traurig. Beim Schreiben dieses Beitrages war ich eine Stufe weiter und es überwiegt dieses Dankbarkeitsgefühl – dieses Wohlfühlgefühl des direkten Schwimmens ;)
Intensives, lebendiges Leben… Das hast du schön formuliert!
Liebe Grüße zurück
Anja
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