…auweia. Andreas würde mich erschießen, wüsste er, dass ausgerechnet dieses Lied für mich so unauslöschbar mit ihm verbunden ist. Ja, es gibt sicher coolere Lieder, anspruchsvollere Texte und großartigere Melodien… Tut mir leid, ich kann es nicht ändern ;0)
„…der deinen Namen trägt…“
(Ohnein… es geht nicht mehr weg!!!)
Dieses Lied lief halt häufig in unserer Kennenlernzeit und es erinnert mich an eine wunderbare, unbeschwerte Zeit in meinem Leben. Wir hatten uns gerade gefunden und hatten dieses Unbesiegbarkeitsgefühl frisch Verliebter. Alles war schön und leicht, wir haben die gemeinsam verbrachten Stunden in vollen Zügen genossen – was bitte sollte unser „für immer“ durchkreuzen?!? Wir hatten nicht mal den Ansatz einer Ahnung, was da auf uns zukommen sollte…
Und das war gut so!
Denn was hätte es uns gebracht, zu wissen, dass wir nur 7 ½ Jahre gemeinsam haben würden? Bestenfalls hätte es uns die schönen Stunden noch intensiver leben, Streitigkeiten weniger wichtig nehmen lassen – aber ehrlich: wäre das mit einer im Nacken lauernden Angst möglich gewesen? Natürlich habe ich mich so manches Mal gefragt, ob ich mir diesen Streit oder jene Auseinandersetzung nicht hätte sparen können… Nein, zu der Zeit war das genau so wie es war, wichtig und somit richtig.
Dieser Gedankenansatz hat mir an einer Stelle nach Andreas‘ Tod sehr weitergeholfen.
Vorwürfe… Wut…
Bei mir kam die quälende Frage auf, ob die Ärzte nicht hätten früher besser diagnostizieren können… Du kannst dir sicher vorstellen, wie einen diese Frage belasten kann! Ein gutes halbes Jahr vor seinem Tod haben die Ärzte aus heutiger Sicht eine Fehldiagnose gestellt. Warum hat niemand zu der Zeit seinen Kopf untersucht?!? Sein Hirntumor muss bereits zu der Zeit schon unübersehbar existiert haben. Wenn man ihn dann gefunden hätte – hätte man noch operieren können? Hätte man den Tumor komplett entfernen können, hätte Andreas eine reelle Chance gehabt, weiterzuleben? Hätte… hätte… hätte… Das hat mich echt wütend gemacht: Warum hat niemand genau genug hingeschaut? Ergänzt habe ich diese quälende Fragerei durch Selbstvorwürfe: ich habe gespürt, dass etwas nicht in Ordnung ist, dass die Diagnose nicht stimmt, habe drohende Gefahr gefühlt… Warum habe ich nicht darauf bestanden, dass er weitergehend untersucht wird…? Puh, auch nach all‘ der Zeit sind diese Gedanken präsent und tonnenschwer…
Die einfache Antwort lautet: es ging nicht um mich. Es ging hier um Andreas‘ Körper und Leben – und wer bin ich, dass ich über jemand anderen bestimmen dürfte? Er hat den Ärzten vertraut und mir Vertrauen vermittelt: „alles wird gut“… Und ich habe das natürlich von Herzen gerne geglaubt.
Hätte… hätte…
Hätte man den Tumor früher entdeckt und operiert: wir hätten vielleicht Zeit geschenkt bekommen. Gemeinsame Zeit – oh, das erscheint vorerst unendlich kostbar… Und doch: diese Zeit wäre doch von vornherein dauerbelastet gewesen. Wir hätten jederzeit mit der Angst leben müssen, dass der Krebs zurückkehrt oder wächst – kann man diese Zeit dann wirklich genießen?
Ich bin sicher, wir hätten einen guten Weg für uns gefunden – aber ehrlich: ich bin sehr froh, dass ich niemals in der Situation war, hierüber eine Wahl zu treffen. Kurz und schmerzvoll oder lang und quälend?!? Bei dieser Wahl kann man doch nur verlieren… Die Antwort bleibt: der Tod.
Tja… Aber was mache ich mit dieser Wut im Bauch? Dieser Verzweiflung, dass die Ärzte falsch diagnostiziert haben?!? Wieder hat mir das Schreiben aus der „Patsche“ geholfen: ich habe ca. 1/2 Jahr nach Andreas‘ Tod dem damals zuständigen Chefarzt geschrieben… Mit derben Beschimpfungen, für die mir der Mund mit Seife hätte ausgewaschen werden müssen… So richtig unter der Gürtellinie… Alles raus aus mir, was drückt… Oh, tat das gut!!!
Äh… Diesen Brief habe ich nie verschickt… Er war eigentlich nur für mich… Er hat mich erleichtert und Klarheit gebracht:
Es ist, wie es ist… Und das ist gut so. Jeder hat zu seiner Zeit sein Bestes gegeben und das getan, was zu der Zeit sinnvoll und richtig schien.
Eine hart erkämpfte Lehre – aber für mich die einzige Art und Weise, damit umzugehen.
»Wenn du nachts den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können!«
Und er lachte wieder.
»Und wenn du dich getröstet hast, wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so, zum Vergnügen… Und deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: ‚Ja, die Sterne, die bringen mich immer zum Lachen!’«
(Antoine de Saint-Exupéry „Le petit prince“)
Dieser Text ist zwar viel zitiert, aber irgendwie schöner als der im Stern-Song, oder?
Schafft man es, seinen Frieden zu machen mit dem, was geschehen und auch mit dem, was nicht geschehen ist – dann kann man hochschauen zum Himmel und einen Stern sehen, der einem zuzwinkert…
Ich lasse mich gerne schräg anschauen, wenn ich dabei mal ohne ersichtlichen Grund lachen muss – du weißt ja, warum ;0)
Wie ist es bei dir? Gibt es in deinem Leben quälende Fragen, die du zurückbehalten hast, oder hast du einen guten Weg gefunden, Frieden zu finden?
