Ein kostbares Geschenk…?

Ein kostbares Geschenk…?

Manchmal ist es schier unerträglich, oder? Die Lücke… Jemand ist gestorben und fehlt… Überall und immer bleibt da eine Leere…

Mir klingt noch immer dieses Begrüßungsrufen von Andreas im Ohr, wenn er nach Hause gekommen ist, das ich nie wieder hören werde. Es ist in mir abgespeichert und während ich schreibe, könnte er gerade zur Tür herein gekommen sein. Der Tonfall, der Klang, die Gefühle, die ich damit verbunden habe… Alles da.
Fast ein wenig gruselig – wenn ich mich umsehe, ist er nicht da.

Aber trotz des Schmerzes, den mir diese Gedanken machen – durch diese Gedanken bleiben wir verbunden. Ich gebe zu, dass ich das nur mit gehörigem Abstand zu seinem Tod so empfinden kann. Anfangs war es einfach unerträglich… Aber jetzt mit diesem Abstand kann ich Dankbarkeit empfinden für das, was ich hatte, was wir hatten.

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch garnicht versuchen; man muß es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.

(Dietrich Bonhoeffer)

Mir fehlt (leider) der Glauben, dass die Verstorbenen noch um uns sind. Sicher bleibt etwas (vieles?), das man spüren kann… Aber das ersetzt keine wunderbare Umarmung eines lieben Menschen.
Was ich aber kann, ist diese Erinnerungen lebendig zu halten. Nichts und niemand kann sie mir nehmen, denn sie sind ganz fest in meinem Herzen. Ein Teil von mir.

Und hey, was toll ist an diesem Tod? Unsere gemeinsame Zeit konnte nicht an Wert verlieren, durch Abnutzung verblassen oder gar in einer aufreibenden Trennung enden. Krasse Gedanken? Aber so kann unsere gemeinsame Zeit einfach das bleiben, was sie war und ist: ein wunderbares Geschenk, das mir keiner mehr nehmen kann!

Aber was auch bleibt, ist…

Diese Sehnsucht

Wie schafft man es denn, diese unaussprechliche Sehnsucht aushalten zu können? Sie zerreißt doch das Herz, wenn sie aufkommt… Es fühlt sich an, als ob das nie mehr vorübergeht.

Ich habe einige Varianten ausprobiert:

  • ignorieren („kann ja nicht so schlimm sein“): ähja,… keine gute Idee. Die Gefühle wollen gefühlt werden. Jedes Mal, wenn ich sie weggeschoben habe, kamen sie später umso heftiger zurück
  • ablenken: hat gut getan, wenn einfach keine Kraft mehr da war für schmerzhafte Empfindungen… Aber auch da: die Gefühle gehen davon nicht weg, sie kommen wieder…
  • ausklinken („ich bin dann mal weg“): geht im Alltag manchmal schwer, aber was ist denn das Wichtigste? Doch „ich“, oder? Sich zu Hause verstecken, Musik hören, heulen,… Einfach mal tun, wonach einem ist und nicht, was man meint oder weiß, das andere von einem erwarten ♥
  • tanzen: tut gut…
  • singen: tut auch gut… Beides gleichzeitig umso besser ;O)
  • Hilfe holen: in größter Not konnte ich immer meine Trauerbegleiterin anrufen – sooooo hilfreich (Danke, du Liebe ♥)
  • Yoga: ich muss zugeben, das habe ich nicht oft geschafft… Aber ins Körperliche hineinzugehen tut gut, spült das überschüssige Adrenalin weg. Gleichzeitig kommt man ein wenig zur Ruhe oder lässt eben seine Gefühle fließen – es befreit!
  • Thai-Massage: kein Ersatz für körperliche Zuwendung eines geliebten Menschen… Aber sich mal von Kopf bis Fuß massieren zu lassen war eine unglaubliche Bereicherung für mich. Auch absolut hilfreich, um seine Körper ein bisschen mehr zu spüren.
  • Reden: mich mit Menschen austauschen, die mich verstehen, die die gleiche Sehnsucht spüren – unbezahlbar! Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal in einer Trauergruppe wohlfühlen könnte, aber genau das war für mich extrem bereichernd.
  • Schreiben: für mich eine tolle Variante, um Druck aus meinem Kopf zu bekommen. Einfach sinnlos vor mich hinschreiben. Das habe ich erst recht neu für mich entdeckt. Nun führe ich regelmäßig „Morgenseiten“ (3 DinA4-Seiten einfach schreiben ohne nachzudenken oder Sinn füllen zu müssen – siehe auch Julia Camerons Buch „Der Weg des Künstlers“).
  • Natur: raus, ans Meer, die Weite und das Wellenrauschen genießen… Oder in den Wald, manchmal in den Ruheforst… Da kann ich ganz bei mir sein. Spazieren gehen und die Gedanken einfach fliegen lassen…

Mittlerweile habe ich ganz gute Lösungsstrategien für mich gefunden. Die Sehnsucht hat einen festen Platz in meinem Leben, sie überrennt mich aber nicht mehr so sehr. Es ist eher ein warmes, gutes Gefühl – mein Schatz! (wer jetzt Gollum im Kopf hört: nee, so nicht ;O), einfach nur schön!)

Was hilft dir? Hast du Hilfreiches, was du in den Kommentaren teilen magst?

© Martine Blankenburg

5 Gedanken zu “Ein kostbares Geschenk…?

  1. Trauer und Glück – zwei Seiten einer Medaille. Glück ist heute in aller Munde – so wie work-life-balance oder Wellness und „das sind wir uns wert“. Wert aber auch gerade dabei die dunkle, untröstliche Seite zu leben. Dieser Blog ist deshalb so wichtig – für all die Trauer und die Freude des „dennoch“.

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  2. Petra – 20.04.2020
    ich bewundere gerade die oben geschriebenen Worte.
    Mein Sohn ist am 10.10.2018 an Krebs gestorben. Mit dieser Situation kann ich kaum umgehen. Die beschriebenen Varianten versuchte ich auch – nur besser geht es mir nicht.
    Auch mir fehlt der Glaube, dass mein Sohn noch da ist – nur wo – nur wie – ich vermisse ihn sehr.
    Liebe Grüße
    Petra / Görlitz

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    1. Liebe Petra,

      mir wird heute erst dein Kommentar angezeigt – bitte entschuldige die späte Antwort…

      Ich kann deinen Schmerz nur ahnen, es tut mir sehr leid, dass dein Sohn verstorben ist.
      Weißt du, ich glaube, es geht (noch) nicht darum, dass es dir besser geht. Eineinhalb Jahre sind eine recht kurze Zeit. Schön wäre es, wenn dir solche Dinge helfen, weiter zu gehen. Nimmt dir das vielleicht ein wenig Druck?
      …vielleicht brauchst du ja aber auch etwas anderes, hast andere Ressourcen…? Hast du jemanden, mit dem du dich dazu austauschen kannst?

      Ich würde diesen Beitrag aus heutiger Sicht anders schreiben, denn mittlerweile bin ich sehr sicher, dass die Verstorbenen noch um uns sind. Da bleibt eine Möglichkeit, in Kontakt zu gehen. Das wird seine persönliche Präsenz nicht ersetzen können, aber es tut doch gut, ins Spüren zu kommen… Starte doch einmal mit schönen Erinnerungen – auch dann bist du in Kontakt mit deinem Sohn…

      Alles Liebe!
      Herzlich,
      Anja

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