Immer wieder sonntags…

Immer wieder sonntags…

Nein, nein – kein Schlager…

Mich beschäftigen immer mal wieder die Sonntage in Trauerzeiten… Wenn man nicht gerade zu den Menschen gehört, die am Wochenende arbeiten, hat man zwei Tage freie Zeit…

Am Samstag werden noch schnell die Wocheneinkäufe erledigt, das Kind hat mal ein Mannschaftsspiel, am Abend trifft man vielleicht Freundinnen… Herrliche Freizeit!

Die Sonntage jedoch sind die Tage der Einsamkeit, oder? 24 Stunden freie Zeit, die es zu füllen gilt – 24 Stunden, die sich leer anfühlen können… Denn man bekommt schnell den Eindruck, dass niemand sonntags Zeit für dich hat – es ist der Tag der Familie… Mami, Papi, Kind und Kind machen einen Sonntagsausflug. Pärchen sitzen händchenhaltend im Café, schlendern Arm in Arm durch den Park… Traute Zweisamkeit, heile Familienwelt…
Und wenn dann jemand fehlt – oh, es schmerzt dann um ein Vielfaches mehr als an anderen Tagen, wenn man in diesen leeren Stunden jemanden vermisst…

Die gute Nachricht vorweg: das geht vorbei! Irgendwann kommt auch nach noch so tiefer Trauer der Punkt, wo man diese freie Zeit auch wieder genießen und sie zur Entspannung nutzen kann.

Durchhalten

Tja, aber bis das soweit ist, heißt es „aushalten“.

Es kann helfen, wenn du dich deinem Umfeld mitteilst. Erzähle den anderen davon, wie schwer es ist, die Sonntage zu überstehen. Wenn man noch nie in solch einer Situation war, kann man sich das vermutlich nur schwer vorstellen und kommt gar nicht von alleine darauf…

Mir hat es geholfen, mich gezielt für die Sonntag zu verabreden. Eine liebe Freundin zum Sonntagsspaziergang abholen und raus ans Meer… Kaffeetrinken und gute Gespräche… Mit dem Kind ins Kino…

Darüber hinaus habe ich darauf geachtet, zu tun, was mir gut tut, was die Akkus auflädt… Und das dann dort tun, wo es weniger Begegnungen mit anderen Menschen gibt, bzw. wo das nicht so wichtig scheint:
Im Garten werkeln, ein Puzzle machen, ein Bad nehmen, Schwimmen gehen, in die Sauna, Joggen, Yoga,… Meist hilft es, den Körper zu bewegen – probier‘ aus, was für dich der beste Weg ist…

Was mir auch hilft ist, meinen Blickwinkel zu prüfen: sehe ich wirklich nur glückliche Menschen?

Vielleicht kennst du das aus anderen Situationen: bist du schwanger, siehst du nur noch Kinderwagen um dich herum (*autsch*, wenn du gerade ein Kind verloren hast…..). Ist dein Mann gestorben, suchst du sein Gesicht in allen Gesichtern, denen du begegnest… Bist du traurig, scheinen alle um dich herum glücklich zu sein… Vielleicht hinken die Beispiele ein wenig – aber du weißt, was ich meine, oder?
Konzentrierst du dich aber auf Details in deinem Umfeld, nimmst du auch andere Menschen wahr. Die allein marschierende Frau, die grimmig vor sich hinschaut. Der Vater, der ein heulendes, brüllendes Kind hinter sich herzieht…

So hast du eine Chance, auch die Sonnenstrahlen zu entdecken, die hinter den dicken grauen Wolken hervorluschern…

Leicht?

Nein, das ist nicht leicht, sondern es wird Kraft kosten.

„Euer Glück kotzt mich an!“

Oh, wie gerne hätte ich das ab und an gebrüllt… Okay, macht man nicht. Ist schon klar… Aber manchmal wäre es befreiend gewesen…

Das ist kein Gefühl von Neid, sondern in dem Fall einfach purer Schmerz. In solchen Situationen neidet man ja dem glücklichen Paar nicht sein Glück… Es brennt aber das Vermissen von dem Herzensmenschen an der Seite – da fehlt einer…

Aber weißt du, was mir noch viel mehr zu schaffen machte?
Wenn ich Menschen in meiner Umgebung begegnet bin, die mit mürrischem Gesicht herumliefen. Noch schlimmer empfand ich es, wenn sie als Paar unterwegs waren. Und noch viel schlimmer, wenn es alte Menschen waren, die so mürrisch guckten – als ob sie lieber tot wären als herumzulaufen… Pfff… unfair, findest du? Ja, vielleicht. Natürlich war mir bewusst, dass jede und jeder mal einen schlechten Tag hat – und ich außerdem einfach keinen Schimmer habe, was bei den anderen Personen der Grund für ihren Gesichtsausdruck war…

Nur: es fühlte sich nun einmal an wie himmelschreiende Ungerechtigkeit. Andreas war immer ausgeglichen und meist fröhlich – er hätte so gerne weiter gelebt, wäre gerne alt geworden… Durfte aber nicht… Warum sind dann nicht die Menschen, die leben dürfen, dankbar dafür und strahlen das auch aus?!?

So lass‘ mich mit einem Aufruf enden:

  • wenn du unterwegs bist und mit den Gedanken ganz woanders: besinne dich zwischendurch einmal dieser Zeilen und freue dich, dass du genau in diesem Moment am Leben bist – und: lächle!
  • kennst du jemanden in deinem Umfeld, der trauert? Ruf‘ doch gerade am Sonntag mal an oder geh‘ vorbei mit einem Stück Kuchen… Nicht jede und jeder wünscht sich tatsächlich Gesellschaft – aber ich denke, dass die Chance groß ist, dass sich jemand über deinen Besuch freut!
  • fühlst du dich als Trauernde/r einsam? Schluck‘ deinen Stolz hinunter und ruf‘ jemanden an. Teile dich deinem Umfeld mit – was brauchst du?
  • …und zu guter Letzt: nein, schrei‘ bitte nicht auf der Straße die anderen Leute an – die können doch nichts dafür, wie es dir geht ;0) …lächle ihnen stattdessen zu – egal, wie es dir gerade geht ♥

 


Dies ist mein Beitrag im Rahmen der Blog-Aktion meiner lieben Blogger-Kollegin Silke Szymura: „Alle reden über Trauer 2019“

Alle-reden-über-Trauer-2019
Ein Tag, viele TeilnehmerInnen, viele Facetten von Trauer

4 Gedanken zu “Immer wieder sonntags…

  1. Liebe Anja,
    ich finde es großartig, wie Du diese Sonntags-Situationen in Worte fasst. Ich glaube, dass so viele sich damit identifizieren können und wissen: ich bin nicht allein damit. Denn manchmal kommt man sich ja so irrational, so „schräg“ und anders in seiner Trauer vor. Deine Beiträge berühren mich immer wieder aufs neue und die Denkanstöße, die Du ohne erhobenen Zeigefinger gibts, empfinde ich als sehr wertvoll.
    Und jetzt wünsche ich Dir von Herzen einen schönen Sonntag!
    Liebe Grüße
    Nicole

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Nicole,
      ich danke dir für deinen lieben Kommentar!
      Gerade heute lege ich bewusst einen „Schneckenhaus“-Sonntag ein… Da denke ich auch zwischendurch mal, dass ich irgendwie „schräg“ drauf bin. Macht aber nix, ich brauche das jetzt….. Und ich kann solche schrägen Tage nun mittlerweile gut aushalten – und mich über Sonnenstrahlen wie deine Worte freuen, die in mein Schneckenhaus fallen und den Tag heller machen ;0)
      Liebe Sonntagsgrüße,
      Anja

      Gefällt 1 Person

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