Bilder…

Bilder…

Meine Handy-App zeigt mir neuerdings immer Bilder, die ich am gleichen Tag vor X Jahren geknipst habe… Bislang waren das immer Fotos vom letzten oder vorletzten Jahr… Schöne Erinnerungen irgendwie. Fotografiert habe ich ja meist das, was ich schön finde, was toll war – nicht das, was dumm gelaufen ist oder schmerzt.

Heute… Jaaa, heute war es irgendwie anders. Vor einem Jahr hatte ich Urlaub, das war schön… Vor zwei Jahren war auch ein schöner Tag… Herrlich!

Und vor 5 Jahren?!

Seufz… Noch tiefer seufz… Da war ein ganz besonderer Tag, den ich für immer in meinem Herzen trage. In 2014 war dieser Oktobertag wie im letzten Jahr tatsächlich auch noch sehr sommerlich. Die Sonne schien, es war warm und trotzdem wehte ein Hauch von Herbst durch die Luft.
Die Sonnenstrahlen haben mir das Gemüt erhellt. Das tat gut, denn die Tage vor diesem Datum waren einfach schlimm gruselig… Seit dem 10. Oktober war ja meine Welt eine andere und die Angst um Andreas mein täglicher Begleiter…
Somit hatte die Sonne eine besonders große Herausforderung, uns diesen Tag zu erhellen – aber sie schaffte es. Andreas war durch Medikation und Pflege einigermaßen „er selbst“ und war zu Hause. Um das schöne Wetter zu genießen, sind wir ans Meer gefahren.

Leckeres Essen mit Blick auf die Ostsee im Lieblingsrestaurant am Meer… Entspannte Gespräche, ruhiges Schweigen,… Die Angst hatte Pause.
Händchenhaltend an der Wasserkante laufen, sogar eine Weile Arm in Arm im Sand liegen,… Ich habe mir spontan die Hose hochgekrempelt und bin ein Stück im Meer gelaufen – die Füße im Wasser (ja, es war durchaus ziemlich kalt ;0) habe ich das Leben sehr stark gespürt und mich dem Himmel sehr nah gefühlt… Und das wohlgemerkt trotz dieser monströs schweren Zeit drumherum…

Ganz tief seufz…

Tjaaa,… Noch viel tiefer seufz… Das war dann auch der letzte gemeinsame leichte Tag. Es folgte eine Zeit, die enorm bis übermenschlich kraftzehrend war.

Einen Teil meiner Erinnerung an den 19.10.2014 teile ich auf diese Weise mit dir – es ist für mich die stärkste Metapher für „lebe den Moment“. Auch in der schwersten Zeit deines Lebens gibt es sicher solche Momente, die (wenn auch nur kurz) einen Lichtstrahl schicken und Kraft spenden. Ergreife sie, halte sie fest und nutze die Kraft, die sie bringen für dich.

Heute hat meine Trauer mir noch einmal „guten Tag“ gesagt… Mit einem „MOIN“ hat sie sich neben mich gesetzt und den Arm um mich gelegt… Ja, sie kam mir tatsächlich wie eine gute Freundin vor!
Natürlich, es schmerzt, dass diese Erinnerungen unwiederbringlich vorbei sind. Und doch: es ist so bereichernd, dass ich sie erleben durfte und auch im Herzen abrufbereit aufbewahrt habe…

Ich fühlte mich den ganzen Tag hin- und hergerissen zwischen Traurigkeit und Glück – und ich habe das einfach zugelassen und ausgehalten. Das tat gut. Hm, und irgendwann kam dann der Impuls, dass ich diesen Tag gerne mit dir teilen möchte. Somit kommt „Post“ von mir trotz Bootcamp-Auszeit… Auch schön, oder?

Meine Trauer und ich gehen heute Abend was Leckeres essen… Und machen es uns gemütlich… Schön, dass sie da ist

8 Gedanken zu “Bilder…

  1. Ohh.. ganz doll Pipi in den Augen. Liebe Anja, deine Worte haben auch bei mir Bilder ausgelöst.. aber schön, dass sie da sind und nicht vergessen werden.
    Ich wünsche Dir und Deiner Freundin Trauer einen schönen Abend. 🧡

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    1. Oooh, meine Liebe, da bin ich gleich ganz mit-gerührt…

      Wir zwei waren nach dem Essen in Gesellschaft spazieren und kringeln uns nun unter die Kuscheldecke…

      Vielleicht machst auch du es dir gemütlich, sofern dein kleiner Sonnenschein im Leben es zulässt…?
      Wärme dich an den Bildern vom Sonnenschein im anderen Leben 💙

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  2. Auch ohne Handy-Erinnerungsfotos verstehe ich dich. Für mich ist der 14. August 2015 so ein Tag. Ein wunderschöner Sommertag ohne Sorgen und Probleme, an dem wir mit unserer Enkeltochter spazieren gingen. An dem mein Mann ihr so viel erklärte: den Mais, die Traktoren, die Hühner am Bauernhof, die Pfützen auf den Feldern … Sie hörte interessiert zu und verstand vermutlich wenig, denn sie war noch kein ganzes Jahr alt, obwohl sie bereits laufen und – in Ansätzen – sprechen konnte. Am Abend lief sie auf ihren eigenen Füßchen von der Tür unserer Wohnung zum Aufzug, wo ihre Mama auf sie wartete, und mein Mann stand in der Tür und winkte ihr zum Abschied. „Bye-Bye, Opa“, sagte sie und winkte zurück. Am nächsten Morgen wachte er nicht mehr auf. Am übernächsten Vormittag hörte sein Herz auf zu schlagen. So ist das mit dem Leben und dem Tod, mit der Freude und der Trauer. Sie liegen manchmal sehr dicht beieinander, und an Tagen wie dem von dir geschilderten mischen sie sich und lassen sich nicht mehr trennen.

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    1. Liebe Elke,

      herzlichen Dank, dass du mich (bzw. alle hier Lesenden) an einem Teil deiner Erinnerungen teilhaben lässt…
      Die Grenzen verwischen und Freudentränen mischen sich mit Trauertränen… Das ist anstrengend und gleichzeitig so lebendig und wertvoll 💙

      Schön!

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  3. Liebe Anja, auch ich habe in diesen Tagen vor mittlerweile 33 Jahren eine Erinnerung, welche mit Trauer erfüllt. Am 17.10.1986 verstarb meine Mutter und die Tage der Trauer damals waren für mich sehr schmerzlich. Aber heute bin ich einfach nur dankbar, dass sie mich 22 Jahre meines Lebens begleiten konnte. Hab du noch eine erholsame Auszeit und danke für deine schönen Zeilen…..

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  4. Oh ja, es ist sehr schön von Dir „Post“ zu bekommen. ❤ Ich hoffe, dass Du gemeinsam mit Deiner Trauer den Abend genossen hast.
    Alles Liebe für Dich und ich drück Dich in Gedanken
    Nicole, die sich jetzt erstmal schnäuzen muss

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